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Rosch Haschana – das Jüdische Neujahrsfest ist ein hoher Feiertag
16.09.23 - Vielleicht haben einige von Ihnen schon darauf gewartet, heute einen Text über die Feier des Jüdischen Neujahrsfestes zu lesen. Alles war vorbereitet. Womit aber keiner rechnen konnte, waren krankheitsbedingte Ausfälle in der Jüdischen Gemeinde Fuldas. Und ohne Vorbeter nun mal keine Sabbat-Feier! Damit Sie mitverstehen können, welche Bedeutung dieses Fest hat, kommt hier wenigstens eine kleine Einführung.
Am Kopf des Jahres
Neujahr feiern Juden wie Christen. Die Termine sind – wegen der verschiedenen Kalender – allerdings unterschiedlich, wir Christen feiern am 1. Januar, unsere jüdischen Mitbürgerinnen am 1. Tischrei nach dem jüdischen Kalender, das ist in diesem Jahr der 15. September. Der Name des Fests bedeutet "Kopf des Jahres" und zeigt an, dass hiermit das Jüdische Jahr beginnt. Rosch Haschana ist der höchste jüdische Feiertag. Es ist der Tag, an dem Gott Adam und Eva geschaffen hat – damit ist Rosch Haschana auch der Geburtstag der ganzen Menschheit. Deshalb wird an diesem Fest die besondere Verbundenheit zwischen Gott und den Menschen hervorgehoben.
Der christliche Neujahrstag ist ein Tag, an dem viele Menschen gute Vorsätze fassen, Dinge ändern und verbessern wollen. Dieser Geist prägt auch Rosch Haschana, aber die spirituelle Komponente ist viel deutlicher. An diesem Festtag gedenken Juden in aller Welt des Bundes zwischen Gott und seinem auserwählten Volk. Der Tag ist auch eine Ermahnung, in sich zu gehen und sich vom Guten, vom Göttlichen leiten zu lassen. Das Neujahrsfest bietet die Chance, wieder auf den rechten Weg zu finden.
Um Vergebung bitten
Rosch Haschana fordert dazu auf, seine Nachlässigkeiten hinter sich zu lassen und das neue Jahr unbelastet zu beginnen. Deshalb gehen gläubige Juden möglichst vor Sonnenaufgang zu einem Gewässer und sagen dort das Taschlich-Gebet, mit dem sie symbolisch alle Sünden ins Wasser werfen und um Vergebung bitten. Ganz wörtlich werfen sie aber auch Dinge ins Wasser, etwa indem sie ihre Kleider ausschütteln und ausbürsten und die Krümel, die sich in den Taschen befinden, ins Wasser werfen. Sie beten: "Wer ist ein Gott wie Du, der die Schuld verzeiht und an der Sünde vorbeigeht? (…) Du wirst Dich aufs Neue über uns erbarmen und alle unsere Sünden zunichtemachen. Unsere Sünden wirfst Du in die Tiefen des Meeres (…)". In Fulda bietet sich für das Taschlich-Gebet natürlich die Fulda-Aue an. An Orten, wo kein geeignetes Wasser in der Nähe ist, reicht es auch, nur das Gebet zu sprechen. Dafür hat man bis Jom Kippur Zeit (10 Tage nach Rosch Haschana).
Shofar und süße Speisen
Ein Instrument spielt eine besonders wichtige Rolle, das Shofar. Es ist eine meist aus einem Widderhorn gefertigte Posaune und dient rituellen Zwecken. Ein Shofar ist laut – genau wie auch die Posaunen, die Sie aus Konzerten kennen – und das muss so sein. Denn das Shofar ist die hörbare Erinnerung an die moralischen Pflichten, die ich als Mensch habe. Nach der Lesung aus der Tora erklingt es, und mehrfach bei den Gebeten dieses Fests. Das Blasen des Shofar ist vergleichbar dem Blasen der Trompeten bei einer Krönung. Es spielt auf die Erneuerung des Bundes zwischen Gott und den Gläubigen an, die ihn als ihren König anerkennen.
In der Bibel (Buch Joshua, Kap. 1-7) ist von den Posaunen Jerichos die Rede. Erklingen sie siebenmal hintereinander, stürzen die stärksten Mauern ein. Wären sie nicht eingestürzt, hätten die Israeliten Jericho nicht erobern können. Nach Moses‘ Tod überschreiten die Israeliten um 1200 v. Chr. unter Führung Joshuas den Jordan, denn sie wollen das Land Kanaan in Besitz nehmen. So zumindest steht die Geschichte in der Bibel, die aber nicht historisch, sondern symbolisch zu verstehen ist. Denn in der Zeit der Landnahme war Jericho nur spärlich besiedelt und nicht von einer Mauer umgeben. Diese Geschichte hat auch ihren Weg in ein Spiritual gefunden ("Joshua fought the battle of Jericho"), und womöglich kennen Sie auch Händels Oratorium "Joshua" aus dem Jahr 1747.
Natürlich gibt es auch an Rosch Haschana traditionelle und symbolische Speisen. Nach dem Kiddusch wird ein Segen über Brot und Baumfrüchte gesprochen. Man taucht Apfelstücke in Honig – das Symbol für ein gutes, süßes neues Jahr. Das traditionelle Challot-Brot darf nicht fehlen, es ist ein rundes Hefebrot. Rund ist es, weil das Jahr rund im Sinne von gut sein soll. Man segnet einander mit den Worten "Leschana towa tikatev wetichatem" (= Mögest Du für ein gutes Jahr eingeschrieben und besiegelt sein). In diesem Sinne: "Schana Towa" – ein gutes Jahr! (Jutta Hamberger)+++