Bella Gusman steht vor der Chanukkia, die erste Kerze wurde am Abend des 7. Dezember entzündet, dann folgt jeden Abend bis zum 15. Dezember eine weitere Kerze. - Fotos: Martin Engel

FULDA O|N-Serie über Jüdische Feiertage (7)

Chanukka – das Fest des Lichts

10.12.23 - Die Ursprünge von Chanukka sind historisch. Den Juden unter der Führung von Judas Makkabäus war es 167 v. Chr. gelungen, die griechische Fremdherrschaft abzuschütteln, Jerusalem zurückzuerobern, einen unabhängigen jüdischen Staat zu errichten und den Tempel wieder einzuweihen. Und genau das heißt Chanukka: Fest der Tempelweihe. Es beginnt nach dem jüdischen Kalender am Vorabend des 25. Kislev, am Abend des 07. Dezember, und endet am 15. Dezember.

Chanukka geht also ein Krieg voraus – in diesem Jahr werden wir daran besonders schmerzlich erinnert, denn Israel kämpft um seine Existenz und bangt weiter um das Leben von 140 verschleppten Geiseln.

Die erste Kerze brennt

Eine fröhliche Runde im Hof der Jüdischen Gemeinde

Auch Michael Brand, MdB hatte es sich nicht nehmen lassen, zum Entzünden der ersten ...

Roman Melamed, Jana Tegel und Wolfgang Hengstler entzünden die erste Kerze ...

Roman Melamed spricht die drei Segenswünsche zu Chanukka

Bella Gusman und Waleriy Maschinez

Das zentrale Symbol von Chanukka ist die Chanukkia, der neunarmige Chanukka-Leuchter. An acht Tagen werden abends die Kerzen entzündet, jeden Tag eine mehr. Entzündet werden die Kerzen mit einer Extrakerze, dem "Schamasch" (= Diener). 

Die Kerzen werden entzündet

Jana Tegel stimmt das 'Hava narima’ an

Michael Brand, MdB

Alle singen ‚Maos Zur‘ und ‚Hava narima'

Am 7. Dezember nach Sonnenuntergang entzündete Roman Melamed im Hof der Jüdischen Gemeinde Fulda die erste Kerze der Chanukkia. Er rezitierte die drei Segenssprüche zu Chanukka:

-        "Baruch Ata Ado-naj Elohejnu Melech Haolam Ascher Kideschanu Bemizwotaw, Weziwanu Ledhadlik Ner Schel Chanukka" (= Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns durch seine Gesetze geheiligt hat; und uns befahl, die Chanukka-Kerzen zu leuchten).

-        "Baruch Ata Ado-naj Elohejnu Melech Haolam Scheassa Nissim Laowotenu Bajamim Hahem Baseman Hase" (= Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der unseren Vätern Wunder geschehen ließ, in jenen Tagen zu dieser Zeit).

-        "Baruch Ata Ado-naj Elohejnu Melech Haolam Schehechejanu Wekijemanu Wehigianu Lasman Hase" (= Gelobt seist Du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns Leben und Bestand gegeben und uns diese Zeit hat erreichen lassen). Diesen Segen spricht man nur am ersten Chanukkatag.

Jutta Hamberger und Aboutalib Ahmad

Suska Kliebisch singt einige jiddische Lieder

Roman Melamed, Wolfgang Hengstler und Jana Tegel

Die typische Chanukka-Speise sind Suskaniot – auf fuldisch: Kräppel. Und der heiße ...

Gemeinsam sangen wir "Maos Zur", das traditionell an Chanukka erklingt und die Geschichte des jüdischen Volks und seines Glaubens an Gott erzählt, durch den es seine Feinde besiegt. Auch "Hava narima" sangen wir, die Melodie stammt aus Händels Oratorium "Judas Maccabäus", "See, the con’quering hero comes" – einer der Chorsätze daraus – entwickelte sich schnell zu einem weltweiten Klassik-Hit. Friedrich Heinrich Ranke schrieb 1820 auf diese Melodie das Kirchenlied "Tochter Zion, freue dich". Und 1936 verwendete Levin Kipnis die Melodie für einen neuen hebräischen Text, nun mit Bezug auf das Chanukka-Fest: "Lass uns das Banner und die Fackel heben. Wir singen zusammen ein Chanukkalied. Wir sind Makkabäer, unsere Fahne ist stolz und aufrecht."

Dreideln und Chanukka-Geld

Auch diese Veranstaltung fand unter Polizeischutz statt

Die Chanukkia

Während die Kerzen der Chanukkia brennen – mindestens eine halbe Stunde – soll man nicht arbeiten. Die Kerzen sind nicht als Lichtquelle gedacht, dafür hat man schließlich Lampen, man sitzt davor und erzählt Geschichten, die mit dem Fest zu tun haben, singt oder spielt. Hier wurde nicht gespielt, aber ich erzähle Ihnen, wie es in der Familie meiner Freundin Gaby Goldberg zugeht:

"Wenn die Kinder da sind, spielen wir nach dem Essen eine Runde Dreidel (= jiddisch für Kreisel). An Chanukka benutzt man spezielle: Sie sind nicht rund, sondern eckig. Auf jeder Seite steht ein hebräischer Buchstabe – Nun, Gimel, Heh und Peh – das sind jeweils die Anfangsbuchstaben der Worte, die den Satz bilden: "Nes gadol haja poh" (= Ein großes Wunder war hier). Wir spielen um Agorot, das Äquivalent zum Cent. Alle bekommen zehn Agorot, und je nach "gedreideltem" Buchstaben muss man abgeben, gewinnt dazu usw. Das Engagement ist dabei immer sehr hoch."

Bella Gusman organisiert den Punschausschank

Die Sufganiot. Mit Marmelade gefüllt, einfach lecker!

Jutta Hamberger im zum Tag passenden Chanukka-Sweatshirt

Die erste Kerze der Chanukkia ist immer die ganz rechts. Jeden Abend wird eine weitere ...

In Fulda und überhaupt in der Diaspora benutzt man hingegen Dreidel, die als vierten Buchstaben ein Schin tragen, denn hier sagt man: "Nes gadol haja scham" – ein großes Wunder geschah dort, nämlich in Jerusalem. An Chanukka erhalten Kinder auch kleine Geschenke oder das Chanukka-Geld.

Wie aber kommt der Dreidel zu Chanukka? Der Legende nach gaben die jüdischen Schriftgelehrten unter der hellenischen Besatzung das Studium der heiligen Schriften nie auf, auch wenn es streng verboten war. Kam ein Staatsbeamter vorbei, versteckten sie die Schriften und holten Spiele hervor – als Vorwand, warum sie zusammensaßen.

Die Botschaft von Chanukka

Wolfgang Hengstler

Die Chanukkia

Roman Melamed

Alles ist angerichtet – heute, am Feiertag, gibt es Salat, gedünstetes Gemüse, ...

Schön eingedeckte Tische

Der Platz von Roman Melamed, dem Vorbeter. Zum Chanukka-Essen gehören die Sufganiot ...

Was sagt uns Chanukka heute? Gewiss, die Erinnerung an den Sieg über einen übermächtigen Gegner ist erhebend, Geschichten von Siegern und Helden waren zu allen Zeiten beliebt. Aber der kriegerische Bezug ist nicht das Wichtigste. Die Griechen wollten die Juden seinerzeit weder vertreiben noch töten, aber sie wollten ihnen ihre jüdische Lebensweise austreiben. Die ganze Welt sollten den griechischen Idealen folgen. "Greekness" war modern, auch viele Juden fühlten sich von der neuen Denkweise und Religion angezogen. Nicht die Makkabäer – die zogen in den Kampf.

Zum Kiddusch gehören Wein und die Challiot (= Schabbat-Brote). Zuerst betet Roman ...

Zwei, die sich gut verstehen – Anja Listmann, Fuldas Beauftragte für Jüdisches ...

Alles ist vorbereitet für die Gäste

Roman Melamed entzündet die zweite Kerze an der Chanukkia, die ab dem zweiten Tag in ...

Aufmerksam beobachten Yuryi Birger und Abraham Gusman das Entzünden der Chanukka-Kerzen ...

Deshalb ist der eigentliche Kampf an Chanukka der um die eigenen Wurzeln. Das Licht in uns verlöscht, wenn wir Gott aus unserem Leben ausschließen oder uns falschen Göttern zuwenden, dazu gehören auch Materialismus, Gleichgültigkeit oder Machtgier. All das verunreinigt unsere Seele. Die Tora und ihre Mizwot sind nicht nur für den Schabbat und die Feiertage da, sie sollen tief ins ganze Leben hineinreichen. Dann erhellt das Licht der Chanukkia jede einzelne Seele, und mit ihr die ganze Welt.

Kein jüdisches Fest ohne gutes Essen

Die Segenssprüche, die beim Entzünden der Chanukka-Kerzen gesprochen werden ...

Die Kerzen brennen, jetzt beginnt der Schabbat – gleich wird Bella Gusman die Schabbat-Kerzen ...

Die Chanukkia – noch brennen die Kerzen nicht, wie immer können wir nur vor Beginn ...

Angeregtes Gespräch zwischen Sergei Blinov und Matus Turovskyy kurz vor Beginn des ...

Der Davidsstern – darin das Jahr, in dem wir uns nach dem jüdischen Kalender gerade ...

Öl spielt in der Chanukka-Geschichte eine große Rolle. Zur Einweihung des Tempels nämlich sollte die Menora entzündet werden, aber es fand sich nur noch ein Krug mit koscherem Öl, die Menge reichte gerade für einen Tag. Das Wunder von Chanukka war, dass das Öl für acht Tage reichte, die Zeit, die es brauchte, um wieder reines, koscheres Öl herzustellen. Viele Chanukkiot werden deshalb mit Öl statt Kerzen erleuchtet.

Liebevoll ist der Tisch gedeckt

Das Kabbalat Schabbat – eine Art Gesangbuch, in dem alle Gebete des Schabbat-Gottesdienstes ...

Blick in den jüdischen Kalender und den Monat Dezember. Alles Wichtige ist eingetragen: ...

Ein schon vertrauter Anblick – keine Veranstaltung in der Jüdischen Gemeinde ohne ...

Im Treppenhaus hängt ein besonders schöner Davidsstern mit einer Menora, dem siebenarmigen ...

Marion Rothkegel, Jutta Hamberger, Yuryi Birger und Roman Melamed

Deswegen ist auch bei den typischen Chanukka-Speisen Öl wichtig, man isst vor allem in Öl Gebackenes – also fett, ungesund, und soooo lecker! Die beiden bekanntesten Speisen sind Latkes (= jiddisch für Kartoffelpuffer) und Sufganiot – auf fuldisch Kräppel. Wären wir in diesen Tagen in Israel, würden wir in Bäckereien eine ungeheure Vielfalt von Sufganiot bestaunen können, ganz ähnlich wie wir in der Foaset Kräppel in allen Variationen kaufen können. Damit Sie einen Eindruck haben, wie es in diesen Tagen im Heiligen Land aussieht, hat meine Freundin Gaby Fotos in den Konditoreien Roladin in Tel Aviv und Kadosch in Jerusalem gemacht – sieht das nicht verführerisch aus?

Da tanzt der „Diaspora“-Dreidel – hier sieht man gerade den hebräischen Buchstaben ...

Marion Rothkegel und Ingo Rothkegel, Gabriele Vachenauer und Marieluise Heiligental ...

Allmählich nehmen alle die Plätze ein. In der Fuldaer Synagoge sitzen Männer und ...

Abraham Gusman im Gespräch mit seinem Schwiegersohn Yuryi Birger

Roman Melamed kurz vor Beginn der Chanukka-Feier

Es ist 16 Uhr, die Sonne ist untergegangen, die Chanukka-Feier beginnt

Verführerisch gut schmeckte es auch in der Jüdischen Gemeinde, in der das Küchenteam wieder einmal wahre Wunder vollbrachte. Es gab Latges mit Joghurt, eingelegtes Gemüse, Salat, Lachs, Forelle und natürlich Sufganiot. Viele waren gekommen, feierten, beteten und sangen fröhlich miteinander. Gedankt wurde auch, allen voran Bella Gusman, dem Herz und Mittelpunkt der Gemeinde, dem Küchenteam Inessa Benea und Waleriy Maschinez, die wie immer von Gemeindediener Vasiliy Divotchenko unterstützt wurden.

Niemand konnte an diesem Abend die dunklen Gedanken vertreiben. Sie kamen ganz automatisch, denn heute sind es genau acht Wochen, seit die Hamas 1.400 Menschen ermordete und viele entführte. Für sie alle beteten wir gemeinsam in der Hoffnung darauf, dass sie bald zu ihren Familien und in ihre Leben zurückkehren können.

Zum Schluss der O|N-Serie über die großen jüdischen Feiertage geht mein Dank an Roman Melamed und Bella Gusman, die diese Begleitung über ein ganzes Jahr hinweg ermöglicht haben – aber auch an die gesamte jüdische Gemeinde, die mich mit offenen Armen empfangen hat. "Hier in der Gemeinde ist Frieden, hier fühle ich mich zuhause, hierher komme ich immer wieder gern". Das sind nicht meine Worte, sondern die Marion Rothkegels, die damit heute ausgedrückt hat, was auch ich hier immer empfinde. "Toda raba", vielen Dank – und auf viele Begegnungen im Neuen Jahr!

Bella Gusman, Anja Listmann und Roman Melamed © Jutta Hamberger

Gaby Goldbergs Dreidel-Sammlung. Am besten drehen die aus Plastik, und natürlich ...© Gaby Goldberg

Und ein „Diaspora-Dreidel“, der die hebräischen Buchstaben Nun, Gimel, Heh ...© Jutta Hamberger

Sufganiot aus der Konditorei Kadosh in Jerusalem. Sie bot in diesem Jahr auf Bestellung ...© Gaby Goldberg

Bunte Vielfalt an Sufganiot aus der Tel Aviver Konditorei Roladin. Kriegsbedingt ...© Gaby Goldberg

© Gaby Goldberg

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, möchte ich zum Ende der Serie und zum Ende dieses Jahres ein Gedicht von Erich Mühsam mitgeben. Mühsam war Schriftsteller, Anarchist, Bohemien und politischer Aktivist. In der Nacht des Reichstagsbrands wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und 1934 im Konzentrationslager Oranienburg ermordet. Das Gedicht heißt "Heilige Nacht" und ist weder tröstlich noch besinnlich, dafür von sarkastisch-pointierter Wahrhaftigkeit.

Geboren ward zu Bethlehem
ein Kindlein aus dem Stamme Sem.
Und ist es auch schon lange her,
seit's in der Krippe lag,
so freun sich doch die Menschen sehr
bis auf den heutigen Tag.
Minister und Agrarier,
Bourgeois und Proletarier;
es feiert jeder Arier
zu gleicher Zeit und überall
die Christgeburt im Rindviehstall.
(Das Volk allein, dem es geschah,
das feiert lieber Chanukah.)

Ich wünsche Ihnen "Chanukka sameach" und "A fraylichen Chanukah": ein frohes Lichterfest – und natürlich eine schöne, beglückende Weihnachtszeit. (Jutta Hamberger)+++

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