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Alkohol, Streit und Tragödie: Totschlag-Prozess bringt neue Details ans Licht
20.09.23 - Bei dem Prozessauftakt in Fulda zum Tötungsdelikt vom 26. März 2023 im Neuhofer Ortsteil Giesel (O|N berichtete) sind die Zuschauerbänke am Dienstagmorgen bis auf den letzten Platz belegt. Angehörige und Freunde des 21-jährigen Opfers tragen schwarze T-Shirts mit einem Foto der jungen Frau. Darauf die Aufschrift: "Du wurdest viel zu früh aus deinem jungen Leben gerissen. [...] Deswegen halten wir zusammen wie eine Familie und kämpfen dafür, dass dir Gerechtigkeit widerfährt."
Die Sitzung im Saal I des Fuldaer Landgerichts eröffnete der Vorsitzende Richter, Josef Richter. Verantworten muss sich nun ein 27-Jähriger wegen des Verdachts des Totschlags. Seit mehreren Monaten befindet er sich in U-Haft in der JVA Fulda. Ihm wird zur Last gelegt, im Zustand verminderter Schuldfähigkeit seine Lebensgefährtin getötet zu haben. Unter anderem habe er ihr laut Staatsanwaltschaft mit einem Schlitzschraubenzieher in besagter Nacht 14 Stichverletzungen zugefügt.
Paar feiert mit Freunden - Situation spitzt sich zu
An Tag eins der Verhandlung stand die Anklageverlesung im Mittelpunkt. Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban gab Einblick in die Geschehnisse. Am Samstagabend (25. März) hatten der Angeklagte und seine Lebensgefährtin in ihrer Wohnung im Mehrfamilienhaus vier Freunde eingeladen. Sie feierten gemeinsam, es gab laut Angaben der Staatsanwaltschaft hochprozentige Getränke. Schließlich habe sich die 21-Jährige um kurz nach 1 Uhr dazu entschlossen, sich ins Schlafzimmer zu begeben. Dort wolle sie sich ausruhen, dazu sei es aber nicht gekommen. Gegen 1.30 Uhr versuchte sie mehrfach - telefonisch und per WhatsApp - ihren Freund auf die laute Musik aufmerksam zu machen. Ohne Erfolg. Er reagierte nicht, sodass sich die junge Frau wieder ins Wohnzimmer begab.
"Er macht immer alles kaputt, wenn er trinkt"
Auf dem Wohnzimmerboden verteilt, fand sie Getränke und Snacks vor. Dieses Bild habe sie verärgert. Der damals 26-Jährige - zu dem Zeitpunkt mit 1,83 Promille im Blut - warf ihr daraufhin vor, sie solle doch keine "Spaßbremse" sein. Der Streit spitzte sich zu, das aggressive Verhalten des Mannes nahmen auch die Freunde wahr. Die vierer Gruppe löste sich langsam auf, einer der Freunde war bereits mit dem Taxi nach Hause gefahren. Die restlichen Anwesenden wollten ebenfalls die Heimfahrt antreten. Eine Zeugin sei nochmal zu der 21-Jährigen gegangen, die sie weinend vorfand. "Er macht immer alles kaputt, wenn er trinkt", sagte das spätere Opfer noch.Dramatische Wendung in 21 Sekunden
Um 3.01 Uhr folgte ein Notruf, den einer der Freunde draußen vor der Tür absetzte. 21 Sekunden danach ging der Tatverdächtige auf seine Freundin los. Mit Faustschlägen attackierte er sie, die junge Frau fiel zu Boden. Anschließend stach er mit einem Schlitzschraubenzieher auf sie ein: Mit insgesamt 14 Stichen im Gesichts-, hinteren Nacken- und Halsbereich sowie im oberen Rücken zog er ihr schwere Verletzungen zu, wie es der Anklageschrift zu entnehmen ist. Das Opfer sei, wie Dr. Seban ausführte, "binnen weniger Minuten verblutet".
Angeklagter zeigt sich kooperativ
Die Staatsanwaltschaft plädiert auf Totschlag. Der Tatverdächtige weise, so die Oberstaatsanwältin, eine angeborene Intelligenzminderung und Alkoholgewöhnung auf. "Er hat seine Lebensgefährtin im Zustand verminderter Schuldfähigkeit getötet." Ihm werde eine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung vorgeschlagen. Der Rechtsanwalt des Angeklagten, Christian Celsen, erklärte im Namen seines Mandanten, dass dieser sich "zur Person und zur Sache umfassend einlassen wird".
Weitere Details zum schockierenden Fall folgen demnach am 10. Oktober um 14 Uhr. Ein Urteil wird im Dezember dieses Jahres erwartet. (mkr) +++