Archiv

FULDA Totschlag oder gefährliche Körperverletzung

"Sie schrie um ihr Leben" - Plädoyers im Gieseler Fall nicht weit auseinander

13.12.23 - Staatsanwaltschaft, Nebenklagevertreter und Verteidigung sind sich bei der Strafzumessung für den 27-Jährigen, der seine 21-jährige Freundin in der gemeinsamen Gieseler Wohnung Ende März dieses Jahres mit 14 Stichen eines Schraubenziehers getötet hat, offenbar weitgehend einig. Neun Jahre fordern Oberstaatsanwältin Dr. Christine Seban und die Anwältin der Mutter des Opfers, Julia Heieis, für Totschlag im Zustand verminderter Schuldfähigkeit. Rechtsanwalt Rudolf Karras, der den Vater der jungen Frau vertritt, möchte den möglichen Strafrahmen ebenfalls "am oberen Rand" bemessen sehen, während Verteidiger Christian Celsen sieben Jahre für angemessen hält. Auch die Notwendigkeit der dauerhaften Unterbringung des Angeklagten in der geschlossenen Psychiatrie ist unstrittig. 

Der Angeklagte und sein Verteidiger Christian Celsen Fotos Hannes Mayer

Obrstaatsanwältin Dr. Christine Seban

Der Vater des Opfers Sascha Schlitzer

RA Christian Celsen

Das Gericht unter Vorsitz von Richter Josef Richter wird am 19.12. das Urteil sprechen ...

Staatsanwältin, Nebenkläger und Gutachter

Uneinig sind sich die Juristen aber in der Beurteilung der geistigen Fähigkeiten des Mannes, der sich in seinen Schlussworten einmal mehr bei den Angehörigen seines Opfers zu entschuldigen versucht und stammelt, was er getan habe, tue ihm "von Herzen leid." War er trotz seiner eindeutig festgestellten Intelligenzminderung in der Lage zu erkennen, dass seine brutale Attacke auf seine Lebensgefährtin zwangsläufig ihren Tod zur Folge haben würde?

Während der psychiatrische Gutachter Dr. Helge Laubinger diese Frage klar verneint hatte, sah die Anklagevertreterin mehrere Indizien für das Gegenteil. Der Angeklagte habe den Tod der jungen Frau bei seiner brutalen Attacke zumindest billigend in Kauf genommen. Seine Einsichtsfähigkeit sei nicht beeinträchtigt gewesen, er habe durchaus gewusst, was richtig und was falsch sei. Zu diesem Zeitpunkt sei der vorausgegangene Streit wegen der zu lauten Party bereits beendet gewesen, die Gäste gegangen. Auch die Dauer des Tatgeschehens und die Tatsache, dass sein Opfer in höchster Todesangst schrie, habe ihm die tödlichen Folgen seiner Handlung zu Bewusstsein bringen müssen, argumentierte die Staatsanwältin, die von einem bedingten Vorsatz ausging. Sein Verhalten nach der Tat (der Schraubenzieher lag wieder im geschlossenen Werkzeugkasten und er hatte nachts versucht, seine Vorgesetzte anzurufen) und die Aussage, er wolle kein Mörder sein, spreche ebenfalls für diese Version. 

Zusätzlich sei dessen Alkoholisierung von den Zeugen kaum bemerkt worden, er habe - wohl wegen des dauernden Konsums und seiner Gewöhnung - weder gelallt noch geschwankt und auch den Polizisten zusammenhängende Fragen gestellt. 

Auch die beiden Nebenklagevertreter widersprachen der Einschätzung des Gutachters und konstatierten einen bedingten Tötungsvorsatz. Schon vorher, als er sich über die "Spaßbremse" beschwert hatte, hätte er geäußert, dass er sie irgendwann umbringen werde. "Er wollte sie bestrafen und im Streit mit ihr dominieren. Und er wusste genau, dass er betrunken zu Gewalttaten neigt", so der Anwalt. Während des "schrecklichen Tötungsvorgangs" habe er ihre Schmerzensschreie beenden wollen, "bis endlich Ruhe ist".

"Halligalli-Drecksackparty"

Der Angeklagte ließ wenig äußere Regung erkennen und wandte sich vor allem vom vollbesetzten Zuschauerraum ab. Sein Verteidiger stellte gleich zu Beginn seines Plädoyers fest, dass sein Mandant das Opfer nach fünfjähriger liebevoller und harmonischer Beziehung anlasslos getötet und diese Tatsache auch nie bestritten habe. Nur die Frage nach dem Warum habe auch die Kammer nicht klären können. Es habe zwischen den Partnern bis dahin keinen Streit und keine Trennungsabsichten gegeben, alle Konflikte seien friedlich gelöst worden. Das belege der ausgewertete Handyverkehr zwischen ihnen und die vielen Zeugenaussagen, auch der Familie.

Die Stimmung auf der Party, die einer der Zeugen als "Halligalli-Drecksackparty" gelobt hatte, sei bestens gewesen. Als die Gäste aufbrachen, hätten sie keinerlei Gefahr für die junge Frau gesehen. Was dann tatsächlich passiert sei, könne niemand sagen. "Das Geschehen ist einfach unerklärlich - auch für den Angeklagten selbst", führte der Verteidiger aus. Die Tat sei rational nicht erklärlich. "Vor Ihnen sitzt ein Neunjähriger, der das nicht wollte und die Tat erst realisierte, als sie blutend vor ihm lag. Er war von ihrem Tod überrascht." In dieser Einschätzung folge er dem Gutachter, der damit quasi schon das Plädoyer der Verteidigung gehalten habe, so der Anwalt.

"Was bedeutet 250 ml?"

Man könne die Handlung des geistig eingeschränkten Angeklagten nicht mit normalen Maßstäben messen. Um das zu verdeutlichen, erinnerte der Verteidiger das Gericht an eine dokumentierte Situation, in der sein Mandant eine Tütensuppe kochen sollte und seine Freundin per Handy fragte, was denn 250 ml bedeuten solle. Diese hatte ihm daraufhin das Foto eines Messbechers mit der entsprechenden Markierung zurückgeschickt. 

Das Urteil wird am Dienstag, den 19. 12. um 11 Uhr verkündet. (ci)+++

↓↓ alle 8 Artikel anzeigen ↓↓

Die beiden Gutachter


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum
Cookie-Einstellungen anpassen

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Whatsapp
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön