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Vor dem Philippsthaler Rathaus standen die DDR-Bürger Schlange, um sich ihr Begrüßungsgeld abzuholen. Rechts im Foto ist der HEG-Bus zu sehen, an dessen Steuer damals Gerhard Manns saß - Foto: Roda

LUDWIGSAU 25 Jahre Mauerfall (13)

Erinnerungen eines Busfahrers an einen denkwürdigen Tag

30.11.14 - Jener 12. November 1989 hat sich tief in das Gedächtnis unseres ON-Mitarbeiters, Gerhard Manns, eingegraben. An diesem Sonntagmorgen öffnete sich die Grenze bei Philippsthal/Vacha und Obersuhl/Untersuhl. Ein denkwürdiger Tag, an dem sich eine ganze Nation im Freudentaumel befand und sich von einer Welle der Euphorie tragen ließ.

ON-Mitarbeiter Gerhard Manns blickt zurück auf den 12. November 1989, dem Tag der ...

"Ich hatte die politische Entwicklung in der damaligen DDR bereits über einen längeren Zeitraum vor dem Fernseher sowie per Radio verfolgen können", erinnert sich der Ludwigsauer, der von 1971 bis 2005 als Busfahrer für die Hersfelder Eisenbahn Gesellschaft (HEG), vormalig Hersfelder Kreisbahn, arbeitete. „Nur: so recht glauben, konnte ich das Ganze nicht.“ Doch als ihn am frühen Morgen des 12. November 1989 das Telefon unsanft aus dem Schlaf riss und der Fahrmeister der HEG ihn am anderen Ende der Leitung darum bat, sich sofort auf den Weg nach Schenklengsfeld zu begeben, um seinen Dienst anzutreten, wusste Gerhard Manns: „Es ist soweit – die Mauer ist in unserer Region gefallen.“ Eigentlich hätte der damals 44-Jährige seinen regulären Dienst erst mittags um 12 Uhr antreten müssen, aber die verzweifelt anmutende Stimme seines Vorgesetzten belehrte ihn eines Besseren. „Komm bitte schleunigst und besetze deinen Bus HEF-HK 34“, rief dieser ins Telefon. „Fahr nach Philippsthal und karre die Leute nach Bad Hersfeld – es herrscht Chaos an der Grenze und im Ort.“

Gerhard Manns trank noch schnell eine Tasse Kaffee, stopfte Bananen und alle möglichen Süßigkeiten, die er in der Vorratskammer auftreiben konnte, in eine Tasche und fuhr zu seiner Arbeitsstätte nach Schenklengsfeld. „Dort waren auch bereits mehrere Kollegen eingetroffen, und so kam es, dass nach relativ kurzer Zeit einige Busse der HEG unterwegs zur ‚Zonengrenze‘ waren", erzählt er. "Es erwartete uns wirklich ein unglaubliches Tohuwabohu. Schon unterwegs - auf der B 62 - begegneten uns unzählige Trabis und Wartburgs, wobei ein unangenehmer Geruch von den Motorabgasen der ‚Zweitakter‘ in der Luft lag." Vor dem damaligen Philippsthaler Rathaus bildeten sich lange Menschenschlangen, da die DDR Bürger - gerade im Westen "gestrandet" - sich ihr Begrüßungsgeld abholen wollten.

"Im Verlauf der ersten Tour nach Bad Hersfeld - wir fuhren nach Bedarf - hatte ich die Bananen und Süßigkeiten an die Kinder verteilt", blickt der ehemalige Busfahrer auf den Sonntagmorgen, an dem deutsch-deutsche Geschichte geschrieben wurde, zurück. „Das Leuchten in den Kinderaugen, beim Anblick dieser für sie in der DDR nur sehr schwer erhältlichen Schleckereien, werde ich wohl nie vergessen. "Am späten Nachmittag begann das ganz große Verkehrschaos auf der B 62 zwischen Bad Hersfeld und Philippsthal. Mega-Stau in Unterneurode. Wagenkolonnen wälzten sich zurück in Richtung Osten. "Fast alle wollten ja wieder nach Hause; aber viele Menschen blieben auch im Landkreis Hersfeld-Rotenburg und konnten in schnell eingerichteten Notunterkünften übernachten", berichtet Gerhard Manns. „In Heimboldshausen und Philippsthal waren pausenlos Feuerwehrleute und Helfer des Roten Kreuzes unterwegs, die versuchten, halbwegs Ordnung in das Durcheinander zu bringen.“

An die Einhaltung seines vorgegebenen Fahrplanes sei da schon lange nicht mehr zu denken gewesen. „Am schlimmsten war für uns ‚Wessis‘ der Gestank, den die ‚Zweitakter‘ verursachten. Die Abgase lagen wie ein blauer Nebelschleier über der Autokolonne.“ Vom Stauende in Unterneurode bis zum Wendeplatz in Philippsthal an der Straße "Vogelweide"hätte er mit seinem Bus über zwei Stunden benötigt. "Die B 62 wurde auch in den folgenden Wochen - hauptsächlich an Samstagen und Sonntagen - sehr stark von Pkw aus der DDR frequentiert, was immer wieder zu größeren Verkehrsbehinderungen führte", resümiert der Friedloser. „Für uns Busfahrer eine schwierige Zeit, da wir die Fahrpläne kaum einhalten konnten."Aber diese Verspätungen und Strapazen nahmen die HEG-Angestellten gerne in Kauf. „Das war uns die Deutsche Einheit wert“, unterstreicht Gerhard Manns. „Auch wir waren uns bewusst, ‚dass nun zusammen wächst, was zusammen gehört‘, um Willy Brandt zu zitieren, der schon während seiner Amtszeit als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (1969-1974) die Zeichen der Zeit erkannt hatte, indem er die Ostverträge verhandelte und unterzeichnete.“ Seiner Meinung nach eine wichtige Grundsteinlegung für die spätere Deutsche Einheit. (Stefanie Harth) +++


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