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Notfallpapst Prof. Dr. Peter Sefrin zum Notarzt-Schwindel in Osthessen
13.10.22 - In Osthessen war über Wochen ein falscher Notarzt im Einsatz. Gegen den 31-Jährigen ermittelt die Staatsanwaltschaft. Seine Schwindeleien haben nicht nur in der Bevölkerung für große Verunsicherung gesorgt, auch in Mediziner- und Rettungsdienstkreisen wird heftig diskutiert.
Experte auf diesem Gebiet ist Prof. Dr. med. Peter Sefrin. OSTHESSEN|NEWS hat mit dem deutschen "Notfallpapst" über den spektakulären Fall gesprochen. Der renommierte Anästhesiologie und Notfallmediziner aus Würzburg war unter anderem Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes und Jahrzehnte selbst aktiv als Notarzt tätig. Sefrin hat die deutsche Notfall- und Katastrophenmedizin geprägt und wichtige Anstöße in der Entwicklung des Rettungswesens gegeben.
OSTHESSEN|NEWS: Der Fall des "falschen Notarztes" aus Osthessen ist besorgniserregend, denn im Notarzt-Dienst ist neben der Approbation und 2 Jahren klinischer Tätigkeit auch Praxiserfahrung extrem wichtig. Oft geht es um Leben und Tod. Warum war der Einsatz des "falschen Notarztes" so gefährlich für die Patienten?
Prof. Dr. Peter Sefrin:
O|N: Der Mann hatte keine Qualifikationen und wurde über die Notarzt-Börse vermittelt. Was halten Sie von dieser Einrichtung?
Prof. Dr. Peter Sefrin: "Die Notarzt-Börse ist eine private Einrichtung, die Notärzte vermittelt. Sie kommt dann ins Spiel, wenn vor Ort nicht genügend Notärzte zur Verfügung stehen – ein zunehmendes bundesweites Problem. Es handelt sich bei vermittelten Ärzte um solche, die aus ganz Deutschland sich freiwillig gegen ein Honorar zur Verfügung stellen und teilweise von Ort zu Ort ziehen. Sofern der "falsche Notarzt" von dieser Organisation vermittelt wurde, musste sich die Notarzt-Börse vor der Vermittlung dieses Arztes davon überzeugen, dass die Voraussetzungen für die medizinische Qualifikation und die rechtlichen Bedingungen in Ordnung sind. Das scheint nicht geschehen zu sein!"
O|N: Welche Eigenschaften sollte ein Notarzt idealerweise mitbringen?
Prof. Dr. Peter Sefrin:
O|N: Welche Mechanismen sind Ihrer Meinung nach notwendig, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden?
Prof. Dr. Peter Sefrin: "Vermieden werden kann eine solche Straftat nur durch eine intensive und konsequente Beachtung und Prüfung der erforderlichen Voraussetzung der Qualifikation der Notärzte, die üblicherweise in die Zuständigkeit der jeweiligen Landesärztekammern gehört. Eine Auslagerung auf private Organisationen kann wie ersichtlich zu Lücken im System führen."
O|N: Welche Rolle spielt in der Zukunft des deutschen Rettungsdienstes die zunehmende Professionalisierung des nichtärztlichen Personals? Im vorliegenden Fall waren es schließlich die Notfallsanitäter, denen fachliche Mängel des falschen Arztes aufgefallen sind?
"Mit den steigenden Anforderungen in Rettungsdienst muss auch die Gesamtqualifikation des Personals steigen. Dies hat zur Folge, dass nicht mehr wie in der Vergangenheit der Rettungsdienst nur durch ehrenamtliches Personal durchgeführt werden kann, sondern eine zunehmende Professionalisierung notwendig wurde. Beim Rettungspersonal führte dies zur Einführung des Berufsbildes des Notfallsanitäters, der in der Lage sein sollten, bei der Mitwirkung bei der Versorgung Auffälligkeiten bei der ärztlichen Versorgung entsprechend ihrer Ausbildung zu erkennen. Grundsätzliches ist wie auch sonst in der Medizin die Versorgung von Notfallpatienten eine Teamleistung, wobei beide - Notarzt und Rettungspersonal - aufeinander angewiesen sind und dieselbe Sprache sprechen." (Christian P. Stadtfeld) +++