Al-Hami: "Nur ausreichendes und zufriedenes Personal stellt Qualität sicher"
Der Fachkräftemangel in Krankenhäusern ist seit vielen Jahren ein Problem. Der Fuldaer Neurochirurg Dr. Samir Al-Hami sieht nicht nur die Politik in der Pflicht, für bessere Verhältnisse zu sorgen und Engpässen in der Versorgung entgegenzuwirken.
Im Zeitraum von 1991 bis 2017 wurde der Personalschlüssel im ärztlichen Bereich von Krankenhäusern um 70 Prozent gesteigert. Im Bereich der Pflegekräfte dagegen ist er im selben Zeitraum weitgehend konstant geblieben. "Die Arbeitsbelastung ist zunehmend gestiegen, die Fallzahl in 25 Jahren gar um 30 Prozent. Die Verweildauer in Krankenhäusern ist dagegen um 50 Prozent gesunken. Das bedeutet enormen Stress für die Pflegekräfte. Das Problem geht zurück bis in die 1990er-Jahre: Die Verantwortlichen in Politik und Pflegeverbänden haben zugeschaut, abgewartet und den Fachkräftemangel nicht ausreichend ernst genommen. Dazu kommt, dass die Wichtigkeit und Wertigkeit von Pflegeberufen in der Gesellschaft nicht ausreichend kommuniziert wurde, die Anerkennung ist einfach nicht vorhanden", erklärt Al-Hami.
Im Gegensatz zu anderen westlichen Ländern wie Großbritannien und den USA ist die Akademisierung der Pflegeberufe in Deutschland nicht weit fortgeschritten: "Die Ausbildung liegt hauptsächlich bei zugelassenen Krankenhäusern mit Pflegeschule. Die meisten Ärzte sind in Berufsverbänden und können ihre Interessen durchsetzen. Bei Pflegekräften dagegen sind nicht einmal fünf Prozent so organisiert. Und das Limit ist erreicht: Für eine Entlastung braucht es mehr Personal, dafür sind aber keine finanziellen Mittel da. Gesundheitsminister Jens Spahn hat gesagt: 'Wer zu wenig Pflegekräfte für zu viele Patienten hat, muss Betten abbauen.' Damit hat er leider Recht. Die Leistungssteigerung in den Krankenhäusern über die letzten Jahre wurde auf Kosten des Pflegepersonal erreicht. Die Politik müsste für bessere Finanzmöglichkeiten sorgen, damit die Versorgungssituation verbessert werden kann."
Als im Neuro Spine Center von Al-Hami kurzzeitig ein Personalengpass droht, handelt der Neurochirurg schnell: "Ich habe sofort die Leistung reduziert, da wir viele planbare Operationen haben, außerdem mehr Personal eingestellt. Die gesetzlichen Vorgaben, etwa im Bereich der Unfallchirurgie, sehen ein Verhältnis von 11 zu 1 von Pflegepersonal zu Patient vor – in unserem Haus beträgt es 4 zu 1.
Der Wettbewerb um Pflegekräfte hat sich enorm verschärft, auch deswegen müssen Arbeitgeber für gute Bedingungen sorgen. Wir haben im Januar 2019 die 35-Stunden-Woche eingeführt, außerdem die 4-Tage-Woche – bei voller Bezahlung. So können Arbeits- und Privatleben unserer Angestellten besser ins Gleichgewicht gebracht werden."
