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Historische Postkarte vom Schlossgarten - Fotos: Carina Jirsch / Stadtarchiv Fulda

FULDA In aller Munde

Porträt einer Lady: Über die Geschichte des Fuldaer Schlossgartens

29.03.23 - Das Wetter meint es gut mit Stadtbaurat Daniel Schreiner an diesem wolkenverhangenen Märztag, denn es hat seit Stunden geregnet. Und so fällt beim Blick aus den Fenstern seines Büros im Stadtschloss neben der Baustelle im vorderen Bereich des Schlossgartens vor allem eins auf: Auf den Wegen reiht sich eine Schlammpfütze neben die andere. "Und genau das war vor fünf Jahren der Anlass für die Stadt zu sagen: Wir müssen an den Schlossgarten ran."

Stadtbaurat Daniel Schreiner zeigt aus dem Fenster seines Arbeitszimmers. ...

Das zweiköpfige O|N-Team trifft den Stadtbaurat, um sich aus gegebenem Anlass einmal eingehend mit der wechselhaften Geschichte des Schlossgartens zu befassen. Auch Stadtarchivar Dr. Thomas Heiler haben wir dazu gebeten, und die Runde wird komplettiert von Stefan Retter, dem Leiter des Amts für Grünflächen und Stadtservice, sowie Monika Kowoll-Ferger von der Magistratspressestelle. Der riesige Besprechungstisch ist übersät von alten Plänen und Dokumenten.

Ausgangspunkt für unseren Streifzug durch die Historie ist ein kolorierter Aufriss des barocken Gartenparterres zwischen Orangerie auf der einen und Kaisersaalterrasse auf der anderen Seite, der von dem damals berühmten Gartenarchitekten Maximilian von Welsch um 1719/20 angefertigt wurde. "Inwiefern dieser Plan tatsächlich in dieser Form umgesetzt wurde, können wir heute nicht mit Gewissheit sagen", so Schreiner, "aber man kann sich doch sehr gut bildhaft vorstellen, wie die Fürstäbte damals über das akkurat gezogene Wegekreuz mit Brunnen in der Mitte und gestutzten Hecken an den Seiten wandelten, um politische Gespräche zu führen."

Historiker Dr. Thomas Heiler

Stadtbaurat Daniel Schreiner

Wohlgemerkt: Wir sprechen hier vom vorderen Teil des heutigen Schlossgartens. Der hintere unterhalb der Kastanienallee, dort, wo sich heute der Weiher und der Japanische Pavillon befinden, diente mit Tiergehegen und Taubenschlägen als Jagdrevier und ging nahtlos in bewaldetes Gebiet über, das sich in Richtung der heutigen Ochsenwiese erstreckte.

Der Welsch-Plan von 1719/20

Zeitenwende: Von der barocken Parkanlage zum englischen Landschaftsgarten

Um die Zeit des Spätbarock, also zwischen 1770 und 1800, erlebte der Park eine Blütezeit – bis die Fürstäbte im Zuge der Säkularisation ihre Macht an Kurfürst Wilhelm V. von Oranien abgeben mussten. "Wilhelm dachte wohl: ,Was Fürst Pückler kann, das kann ich auch!‘ Und er beschloss, den Schlossgarten in einen englischen Landschaftsgarten umzugestalten", erläutert Schreiner und zeigt eine Karte, die die Grünanlage in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt:

Pressesprecherin Monika Kowoll-Ferger

Der Kördell-Plan von 1803/04

Grünflächenamtsleiter Stefan Retter (links) und O|N-Redakteur Matthias Witzel ...

Alle barocke Symmetrie ist aufgehoben. Wegekreuz, Brunnen und gestutzte Hecken sind einer einzigen großen unregelmäßigen Rasenfläche gewichen, mit natürlichem Baumbestand drumherum und einem Gewässer im ehemaligen Jagdrevier, in etwa dort, wo sich noch heute der Teich befindet. "Immerhin war Wilhelm so vorausschauend, dass er vor der Umgestaltung seinen Vermessungsleutnant Kördell beauftragte, den Schlossgarten in seinem barocken Zuschnitt noch einmal zu kartografieren", sagt der Stadtbaurat. "So haben wir heute eine ziemlich genaue Vorstellung, wie er im Spätbarock ausgesehen haben muss."

Als englischer Landschaftspark: der Schlossgarten Anfang des 19. Jahrhunderts ...

Nun, Wilhelms Regentschaft in Fulda währte nur kurz und im Laufe der Jahrzehnte geriet der Schlossgarten unter wechselnden politischen Einflüssen mehr und mehr aus dem Blickfeld und vegetierte munter vor sich hin. Dr. Thomas Heiler berichtet von einer Anekdote aus dem Jahr 1934, als wegen Wildwuchs Rodungsarbeiten stattfinden sollten "und die Fuldaer Spießer vor den Gittern des abgeschlossenen Gartens wie die Wahnsinnigen tobten", ein Zitat des Fuldaer Malers, Denkmalpflegers und Politikers Gustav Iller. – Schon damals erregte der Schlossgarten die Gemüter. Und das, obwohl er für die Fuldaer Bürger erst nach dem Zweiten Weltkrieg als öffentliche Naherholungsfläche freigegeben wurde. Für die noch junge Bundesrepublik so typisch mit den überall gut sichtbaren Hinweisschildern: "Betreten der Rasenfläche verboten."

Der Schlossgarten nach dem Zweiten Weltkrieg

Klein-Woodstock in den 70ern und die 1. Hessische Landesgartenschau 1994

Mit der Einkehr einer gewissen bürgerlichen Laissez-faire wurde der Schlossgarten in den 1970er und frühen 80er Jahren gerne als Bühne für Rockkonzerte genutzt, die dann vor der Freitreppe zur Orangerie aufgebaut wurde, und auf der großen Wiese machte es sich das Publikum gemütlich. Der Charakter des Parks wurde damals geprägt vom alten, noch nicht begradigten Teich mit seinem wilden Uferwuchs und einem Schwanenhaus auf einer kleinen Insel.

"Diskussionen über eine Re-Barockisierung des Schlossgartens gab es schon im ausgehenden 19. Jahrhundert", weiß Dr. Thomas Heiler. "Aber die wurden immer recht akademisch geführt. Auch vor der ersten Landesgartenschau 1994." Zwar habe man damals "einige wichtige Strukturelemente" umgesetzt – wie die Errichtung der beiden Pavillons rechts und links der Orangerie oder die Wiederherstellung der Axialität mit Wegekreuz und zentralem Brunnen –, an eine "totale Rekonstruktion" der einstigen Barockanlage, etwa nach dem alten Kördell-Plan, habe man sich aber aufgrund der unklaren Quellenlage ganz bewusst nicht herangewagt.

Die Rekonstruktion des barocken Schlossgartens: "Aufwendiger als angenommen"

Nun, das soll sich ja jetzt ändern. "Dass die Bauarbeiten nicht zum Auftakt der Landesgartenschau fertig sind, liegt zum einen an der Pandemie und an der Inflation, zum anderen hat sich das ganze Projekt als aufwendiger erwiesen als angenommen", so Schreiner.

"Wir mussten zunächst sämtlichen Baumbestand aufnehmen", erläutert Grünflächenamtsleiter Stefan Retter. Etwa eine Handvoll Bäume hätten aus Sicherheitsgründen gerodet werden müssen. Und Stadtbaurat Schreiner zeigt das Stück einer 200 Jahre alten Blutbuche, das er in seinem Arbeitszimmer aufbewahrt, sozusagen als Mahnmal, "denn so einen alten Baum kann man schließlich nirgendwo kaufen".

Eine weitere Herausforderung sei die Erneuerung der Brunnentechnik gewesen. "Alle Brunnen wurden vorher mit Trinkwasser betrieben", erklärt Pressesprecherin Monika Kowoll-Ferger. "Das ist natürlich ökologisch nicht nachhaltig." In Zukunft sollen die Brunnen von nur einer Kammer aus mit Brauchwasser versorgt werden. Den Zeitplan gehörig durcheinandergewirbelt habe schlussendlich auch die Kampfmittelsondierung. "Allein das hat uns fünf Monate lang aufgehalten."

Nun sollen die Bauarbeiten bis zum Sommer weitgehend abgeschlossen sein – inklusive einer harten und wassergebundenen Wegedecke gegen Schlammpfützen jedweder Art. Für den Herbst ist dann die weitgehende Fertigstellung des Schlossturms samt neuer Turmkrone geplant, danach beginnen die Arbeiten auf der Kaisersaalterrasse, die ebenfalls ein barockes Facelifting bekommt, und irgendwann soll auch der hintere Teil des Schlossgartens drankommen. "Da haben wir mit den Vorplanungen aber gerade erst angefangen", so der Stadtbaurat. (Matthias Witzel) +++

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Das Modell zeigt, wie der Schlossturm mit seiner "Krone" aussehen wird. Foto: Stadt Fulda


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