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REGION WIELOCHS WIRRE WELT (63):

Forbild Finnland: Erste Fuldaer Schulen feifen auf die Handschrift

23.01.15 - Finnland ist spitze – nicht nur bei der Pisa-Studie sind unsere europäischen Nachbarn Sieger, auch was die Zahl der Selbstmorde angeht, mischen die Finnen ganz oben mit. Ab Herbst 2016 katapultieren sich die Skandinavier zudem in der Beliebtheitsskala bei den eigenen Erstklässlern in den Olymp. Denn dann verschwindet die Schreibschrift von den Lehrplänen. Tippen statt mühsam per Hand pinseln lautet künftig das Motto. Auch in Deutschland gibt es bereits erste Versuche, die klassische Schreibschrift zu beerdigen. In Hamburg etwa unterrichtet man seit 2011 eine Grundschrift, die nur noch aus Druckbuchstaben besteht. Begründung: Man will es den Kindern nicht unnötig schwer machen. Insgesamt fünf Grundschulen im Landkreis Fulda erproben seit November 2014 ebenfalls ein Konzept komplett ohne Handschrift – mit beeindruckenden Ergebnissen.

„WhatsApp auf, wir schreiben ein Diktat“, lautet die knallharte Ansage der Klassenlehrerin. „Es ist wichtig, Kinder ohne störende Technik zu erziehen“, diktiert die Paukerin. „Immer wenn ich tippe, Musik höre und ein Video gucke hängt sich bei mir WhatsApp auf“, jammert Ann-Kathrin. „Dann schick mir den Text als SMS“, hat Fräulein Müller prompt einen Tipp parat. „Essig riecht Rinder Ohm betörende technisch“, tippt Paul. „Die automatische Worterkennung macht was sie will“, verzweifelt der Elfjährige. „Kein Problem, ich weiß ja was du meinst“, beruhigt ihn seine Lehrerin. „Es kommt mir nur auf den Kontext an.“ – „Ich finde das Komma nicht!“ – „Lasst die Kommas weg, ich weiß ja was Ihr meint!“ – „Das ,ß’ ist auf meiner Tastatur so umständlich!“ – „Schreibt einfach ,SS’, ,S’ oder ,3’, ich weiß ja was Ihr meint!“ – „Großschreiben ist voll kompliziert!“ – „Schreibt alles klein. Ich weiß ja, was Ihr meint!“ – „Mehr als 150 Zeichen passen nicht in die SMS. Das wird mir zu teuer“, jammert Ann-Kathrin und greift zu Füller und Papier. „Erwischt! Ja hast du denn noch alle Tassen im Schrank! Das gibt einen Eintrag ins Klassen-iPad“, tobt Fräulein Müller, die bei unerlaubten Hilfsmitteln gnadenlos durchgreift.

Erst am letzten Elternabend hatte sie sich besorgt darüber geäußert, dass die Kinder von finanziell besser gestellten Eltern auch deutlich bessere Leistungen erzielen. „Die Spracherkennung in teureren Smartphones arbeitet präziser“, so die Erfahrung der Pädagogin. Das zeigt sich auch bei diesem Diktat. Alle plappern die Texte jetzt in ihre Geräte und lassen die Technik tippen. Vorwurfsvoll schaut Fräulein Müller ihre Sorgenkinder Ali, Jannis, Mehmet und Florentine an, die erneut nur alte Handys ohne Apps und Internetfunktion, dafür aber Schiefertafeln und Kreide dabei haben und das Diktat fehlerfrei in schönster Schreibschrift auf die grünen Holzplatten bannen. „Ich finde Eure Einstellung echt traurig. Schämt Euch! Arbeitsverweigerung ist das, eine 6 für jeden. Ihr wollt ja gar nicht“, brüllt sie die Kleinen an und hält die Täfelchen nacheinander unter den Wasserhahn, um die Texte in den Ausguss zu spülen.

Ihre Smartphone-Jünger lobt sie hingegen in den höchsten Tönen: „Ihr seid so trendy. Eure Eltern haben mir verboten, Eure Smartphones zwecks Korrekturen einzusammeln. Ihr dürft Eure Arbeiten künftig selbst mit Hilfe von Wikipedia auswerten und benoten“, hat die pädagogische Fachkraft gute Nachrichten und teilt die Klasse für ein Projekt auf. 5 Kinder kommen in die Gruppe „ADHS“, 4 in die Gruppe „Adipös“ und die restlichen 20 in die Gruppe „ADHS und adipös“. „Übrigens: Für den Ausflug nächste Woche kriege ich von Euch 7,50 Euro für den Bus und 6 Euro für den Eintritt.“ – „Also 13,50 Euro von jedem“, ruft Jannis. „Verdammt noch mal, wie oft habe ich Euch schon gesagt dass ich Kopfrechnen nicht mehr dulde. Das raubt Euch nur unnötige Energie. Dafür gibt’s doch eine App“, tobt sie und notiert minutenlang einen Tadel für Jannis in ihrem Tablet-PC.

Paul startet auf seinem Smartphone den Taschenrechner und knallt seiner Lehrerin einen Zehner auf den Tisch. „Stimmt so. Sie wissen ja, was ich meine!“  (Jochen Wieloch) +++


HINTERGRUND: „Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 63. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor.+++


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