Abdullah Uwe Hans Peter Wagishauser, seit 1984 amtierender Bundesvorsitzender (Emir) der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland - Fotos: Marius Auth

FULDA Ahmadiyya-Bundesvorsitzender im Interview

Nach Mannheim: "Nur 0,05 Prozent der Muslime haben Gewaltfantasien"

06.06.24 - Spätestens nach der Messerattacke von Mannheim sehen sich viele Muslime in Deutschland unter Generalverdacht. Das meint der Ahmadiyya-Vorsitzende Abdullah Uwe Hans Peter Wagishauser, der am Donnerstag in Fulda vor einer schleichenden Erosion der Meinungsfreiheit warnt.

Grund für den Besuch des Bundesvorsitzenden: Eine Deutschland-Rennrad-Tour der ...

Der 74-Jährige hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Er war sowohl in der 68er-Bewegung als auch der außerparlamentarischen Opposition und im liberalen Studentenbund tätig, bei einer Indien-Reise vor 45 Jahren findet er zu Gott beziehungsweise zur Ahmadiyya-Bewegung. Vom mittleren Management einer Fluggesellschaft geht es 1984 in den Bundesvorsitz der in Deutschland rund 56.000 Mitglieder zählenden islamischen Religionsgemeinschaft, neue Anrede: Emir.

Emir im Radtrikot

In der Fuldaer Ahmadiyya-Moschee erscheint Wagishauser am Donnerstag im Radtrikot: Bereits zum vierten Mal veranstaltet die Religionsgemeinschaft eine deutschlandweite Rennrad-Tour, die vom südhessischen Groß-Gerau über Fulda nach Kassel und Hannover, Hamburg und Kiel führt, entlang der Ahmadiyya-Moscheen, um für den Islam zu werben. Sechs Millionen Muslime leben in Deutschland - "wir sind inzwischen ein integraler Bestandteil des Landes, das ist schon eine Hausnummer." Die vergleichsweise liberale Reformbewegung macht sich in Fulda als zivilgesellschaftlicher Akteur einen Namen, ob beim Neujahrsputz oder durch Coronamasken und Blutspende-Aktionen, wofür es 2020 sogar den Fuldaer Integrationspreis gibt.

Imam Ijaz Janjua

Bis zum Messerangriff von Mannheim am 31. Mai: "Jetzt wird die Integrität der Muslime in Deutschland infrage gestellt. Es gibt vielleicht 0,05 Prozent Moslems mit Gewaltfantasien, aber das steht jetzt wieder im Vordergrund", beklagt Wagishauser. "Bei der zweiten Messerattacke in Mannheim, die ganz in der Nähe war, redet keiner über den Glauben - da war es ein Linksextremer", wirft Imam Ijaz Janjua ein, der 2019 aus dem baden-württembergischen Aalen nach Fulda gekommen ist. Schnittchen und Multivitaminsaft stehen auf dem Konferenztisch. Nicht nur Messerattacken gefährden die öffentliche Wahrnehmung: "Der brutale Angriff der Hamas auf unschuldige Menschen, das war für uns ganz schwer zu ertragen. Das Flächenbombardement nur wenige Tage später allerdings auch."

"Schäme mich wieder, Deutscher zu sein"

Gebetsraum in der Fuldaer Moschee

Als Funktionär ist Wagishauser nicht nur im Dialog mit Vertretern von Islamverbänden, sondern auch mit deutschen Politikern: "Auch Israel muss sich ans Völkerrecht halten, aber rund 80 Prozent der Bundestagsabgeordneten, mit denen ich rede, sagen, dass man Israel nicht kritisieren darf. Früher, als Linker, habe ich mich geschämt, Deutscher zu sein - heute wieder, für Statements wie von Kanzler Scholz, Israel sei ein demokratischer Staat mit sehr humanitären Prinzipien."

Die Ahmadiyya-Gemeinschaft erhalte in Deutschland viel Zulauf von Menschen, für die Wahlfreiheit etwas Neues sei: "In den meisten Ländern ist der Islam Staatsreligion. Hier dagegen herrscht nicht nur Religions-, sondern auch Meinungsfreiheit. Wenn jetzt Jugendliche zum Beispiel in der Schule ihre Gefühle zum Thema Israel nicht äußern können, dann ist das eine ungute Entwicklung. Erst vor Kurzem hieß es noch, der Antisemitismus sei in der Mitte der Gesellschaft angekommen - nach dem 7. Oktober sollen es wieder vor allem Muslime sein, die dieses Problem haben." (mau) +++

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