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2.000 Traktoren bei Großkundgebung in Landeshauptstadt - Resolution
08.01.24 - Zu einer der größten Protestaktionen in Hessen ist es am Montag in Wiesbaden gekommen. Bereits im Vorfeld hatten der Hessische Bauernverband (HBV) und die Organisation "Land schafft Verbindung" (LsV) eine gemeinsame Sternfahrt mit ihren Traktoren in Richtung Staatskanzlei geplant, wo gegen Mittag eine der Hauptkundgebungen stattfinden sollte. Dazu hatten sich Konvois unter anderem aus Fulda, Limburg und Gießen angekündigt. Während der Veranstaltung bezeichnete Karsten Schmal, Präsident des HBV, die Kürzungen für die Bauern als untragbar. Dann wurde die Kolonnenfahrt durch die Stadt fortgesetzt.
Die Traktoren hatten am Montagmorgen auf mehreren Autobahnen teils starke Verkehrsbehinderungen hervorgerufen. Besonders betroffen war die A66 von Frankfurt in Richtung Wiesbaden. Hunderte Fahrzeuge, die zuvor auf der A3 unterwegs gewesen waren, sorgten für Stau.
Es seien mehr als die zuvor angekündigten 800 Fahrzeuge auf dem Weg nach Wiesbaden, teilte die Polizei mit. Im Gespräch waren bis zu 2.000 Traktoren, der Stadtbusverkehr war völlig zum Erliegen gekommen, die A671 bis zur Anschlussstelle Mainz-Kastel gesperrt worden. Bislang verlaufe die Veranstaltung "absolut friedlich", sagte ein Polizeisprecher am späten Vormittag. Der Protest in Wiesbaden laufe in enger Absprache mit der Polizei, so ergänzend eine HBV-Sprecherin. Der Bauernverband distanziere sich ausdrücklich von radikalen Aktionen.
Der Vizepräsident des HBV, Thomas Kunz, sprach von einem überwältigenden Zuspruch. "Wir werden von unseren eigenen Leuten und unserem Umfeld sehr, sehr positiv überrascht. Das zeigt die hohe Motivation, die in unserem Berufsfeld, aber auch im ländlichen Raum herrscht", sagte er gegenüber dem hr.
HBV-Präsident Karsten Schmal betonte: "Wir brauchen gleiche Wettbewerbsbedingungen in Europa, um die Landwirtschaft in Deutschland zu erhalten. Es kann nicht sein, dass eine ganze Branche unverhältnismäßig hoch belastet wird. Auch die von der Bundesregierung angekündigten Überarbeitungen ändern nichts an unserer Forderung, dass Agrardieselbeihilfe und Kfz-Steuerbefreiung bleiben müssen."
"Wir freuen uns, dass so viele Landwirtinnen und Landwirte den Weg nach Wiesbaden auf sich genommen haben. Die große Beteiligung verdeutlicht nochmals die große Betroffenheit", betonte Schmal. "Zudem freuen wir uns, dass die Aktion friedlich abgelaufen ist."
Geht um Zukunftsfähigkeit
Im Rahmen der parallel zur Sternfahrt stattfindenden Kundgebung auf dem Wiesbadener Kranzplatz trugen neben Karsten Schmal Tobias Wagner von LsV sowie Torben Eppstein von der Hessischen Landjugend, ihre Anliegen vor. HBV-Präsident Schmal übergab anschließend eine Resolution an Axel Wintermeyer, Chef der Hessischen Staatskanzlei, in der die Argumente der hessischen Landwirtinnen und Landwirte zusammengefasst sind. Schmal betonte, dass es um die Zukunftsfähigkeit der landwirtschaftlichen Branche gehe. "Wenn wir weiterhin eine Versorgung mit regionalen Lebensmitteln gewährleisten wollen, müssen beide Streichungsvorschläge vom Tisch. Eine weitere Verlagerung der Produktion ins Ausland kann nicht das Ziel sein."Im weiteren Verlauf der Woche sind von den jeweiligen Kreis- und Regionalbauernverbänden regionale
Aktionen unter anderem in Kassel, Frankfurt, Limburg sowie dem Untertaunus geplant
Die neu ins Landesparlament gewählte Stefanie Klee aus Eiterfeld ist mit dem Bad Hersfelder Bauernverband nach Wiesbaden unterwegs gewesen. Gegenüber O|N hat die CDU-Abgeordnete, die den Wahlkreis 11 vertritt, mitgeteilt: "Wir sind um 2.30 Uhr am Eichhof gestartet. Während die Fuldaer über die A66 gefahren sind, wurden wir über die Landstraße geleitet. Beim IKEA in Wallau habe es einen kurzen Zwischenstopp gegeben." In Wiesbaden traf sich dann unter anderem auch Stefan Schneider, den Vorsitzenden des Fuldaer Kreisbauernverbandes. Generell sei alles sehr friedflich und geordnet abgelaufen. Mit so vielen Teilnehmern sei nicht gerechnet worden.
Vor Ort ist auch der Fuldaer CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Hering, der sich am Mittag gegenüber O|N tief beeindruckt zeigte von der Masse an Traktoren, die vor der Staatskanzlei ein imposantes Bild abgäben. Er schreibt weiter: "War mit Kreislandwirt Winfried Schäfer unterwegs im Parcours. Sehr beeindruckend und gut organisiert".
Erstes Fazit der Polizeigewerkschaft
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat am Mittag in Wiesbaden ein Zwischenfazit gezogen: Im Rahmen der angekündigten Aktionswoche der Bauern, sich an Recht und Gesetz zu halten und das besondere Wirken von landwirtschaftlichen Maschinen zu berücksichtigen, habe es bisher neben Verkehrsstörungen keine größeren Beeinträchtigungen. Schon in den frühen Morgenstunden waren vereinzelt Autobahnabschnitte rund ums Wiesbadener Kreuz kurzfristig gesperrt.
"Die Befürchtungen, dass sich im Zuge der legitimen Proteste der Landwirte auch Rechtsradikale, Reichsbürger und Querdenker anschließen, haben sich bis zum frühen Mittag nicht bestätigt". Verkehrslenkungseinheiten der Polizei begleiteten die anreisenden Protestler und ihre Traktorenkonvois. Auf der gesamten Länge der Mainzer Straße bis zur angrenzenden Autobahn reihten sich die Schar der Protestwilligen auf. Grundsatz jedes polizeilichen Handelns sei die Einhaltung bestehender Gesetze. Damit sei klar, dass die Polizei legitime Protestformen auch gewährleiste.
"Meinungsäußerungen, die friedlich und ohne Waffen nach Vorgaben der Versammlungsbehörde durchgeführt werden, haben heute Platz in und um Wiesbaden. Die in einschlägigen Internetforen proklamierten Protestformen durch Reichsbürgerszene, Querdenker oder rechtsradikalen Anhängern, die heutige Demonstration unterwandern zu wollen, erteilen wir eine Absage. Rechtsverstöße und Straftaten werden konsequent geahndet", so GdP–Chef Mohrherr.
Drei GdP-Betreuungsteams sind mobil in der Stadt unterwegs, um den eingesetzten Kolleginnen und Kollegen Snacks zu reichen. "Wichtig ist, dass es friedlich bleibt", so Mohrherr. Eine Demokratie wie die unsrige könne mit bundesweiten Verkehrsbeeinträchtigungen leben. "Keinen Platz in unserer Gesellschaft dürfen Staatsfeinde mit abstrusen Umsturzphantasien haben". (bl) +++