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- Screenshot: Johns Hopkins University / Collage: Carina Jirsch

WELTWEIT Über die Grenzen von Osthessen hinaus (4)

New York City ist wie eine "Laborschale für den Virus"

31.03.20 - Nicht nur in Osthessen herrscht Ausnahmezustand. Weltweit steigt die Anzahl an Infizierten in Bezug auf das Coronavirus rasant weiter. Der Reiseverkehr ist auf ein Minimum reduziert, Ausgangssperren sind in vielen Ländern verhängt. Das öffentliche Leben kommt zum Erliegen. Was uns jedoch in dieser schweren Zeit verbindet: Wir sitzen alle im selben Boot und möchten wieder Normalität erlangen. Das Team von OSTHESSEN|NEWS hat seine persönlichen Kontakte, unter anderem in den USA und in Schottland, nach subjektiven Eindrücken gefragt.

Übersetzung aus dem Englischen von Carina Jirsch

New York City, USA
Johns Hopkins University Corona-Statistik 31.3.2020:
8,6 Millionen Einwohner / 33.768 Infizierte / 776 Tote

Nick und seine Freundin wohnen in New York City Fotos: privat

Nick (47), Gründer eines Startup-Unternehmens für Technische Ausbildungsberufe, Brite, wohnhaft in New York City

Wo bist Du gerade?
Ich arbeite von zu Hause. Wir wohnen in der Nähe vom Central Park und haben das Glück, genügend Freifläche um uns zu haben.

Sind Du und Deine Familie gesund?
Ja, soweit. Meine Eltern wohnen in Großbritannien und Frankreich. Sie sind Teil der "Risikogruppe" und ich ermahne sie ständig, dass sie sich für die nächsten drei Monate an das Kontaktverbot halten sollen.

Wie findest du die derzeitige Corona-Situation?
Das ist eine historische Zeit für uns alle. Es ist psychisch schwierig, isoliert zu sein und die Welt, wie du sie kennst, nicht mehr kontrollieren zu können. Aber meine Freundin und ich sind okay. Wir wohnen in einem Apartmentblock mit vielen älteren Menschen und müssen daher extrem vorsichtig sein. Ich dachte eigentlich, das Größte, was mir dieses Jahr passieren kann, ist die Gründung meiner eigenen Firma, aber das Universum scheint andere Pläne zu haben. Egoistisch gesprochen passiert das Ganze zu einer sehr ungünstigen Zeit für mich persönlich. Wir haben sechs Monate lang alles geplant und wollten gerade an den Start gehen, aber jetzt müssen wir halt warten. Wir wollen uns jedoch nicht beschweren; noch haben wir unsere Gesundheit.

Gehst Du derzeit arbeiten oder hast Du Deinen Job aufgrund der Krise verloren?
Ja und nein. In der jetzigen Corona-Krise ein Startup-Unternehmen gegründet zu haben, welches auf Voreinnahmen basiert, ist schwer zu verdauen. Man hat viel Geld verbrannt, ist schuldenfrei geblieben und hat alles getan, um an den Start zu gehen … dann steht plötzlich die Welt still. Momentan haben wir keine neuen Aufträge, aber wir werden nicht aufgeben und werden diese Zeit auch überstehen. Um so härter werden wir dann durchstarten, Leuten zu helfen, wieder Arbeit zu finden, wenn die Zeit gekommen ist.

Wie beschäftigst Du Dich, während du in Isolation bist?
Ich recherchiere viel und arbeite an Marketingstrategien. Ansonsten kochen wir viel, gehen laufen, schauen uns alte Filme an, machen/hören Musik und sind in Video Chats mit unseren Familien. Unsere zwei Katzen sind auch sehr glücklich, uns zu Hause zu haben.

Was macht Dir die größten Sorgen?
Mutation. Es kann sein, dass der Virus mutiert und sich verharmlost, aber es könnte auch passieren, dass er noch aggressiver zurückkommt. Man hat Angst, dass diese Krise bis ins Jahr 2021 anhalten könnte. Unruhen. Wenn das Alles zu lange andauert, kann Panik einsetzen, die die Kriminalität steigen lässt. Massensterben. Die westliche Welt hat den Höhepunkt des Virus noch nicht erlebt. Es könnte sein, dass Millionen von Menschen sterben müssen. Ich habe Angst davor, dass meine Freundin ernsthaft erkranken könnte. Sie hat Asthma. Doch da sie noch jung und gesund ist, hoffe ich, dass sie es überstehen wird. Natürlich gehen wir kein Risiko ein.

Wie denkst Du, geht Dein Land mit der Corona-Krise um?
In Amerika herrschen Angst und Unruhe. Die Medien verstärken diese Panik oft noch zusätzlich. Der Staat New York ist aufgrund der dichten Bevölkerung unter einem Riesen-Druck. Es gibt Massen an europäischen und asiatischen Touristen und sehr viele Geschäftsreisende. Wir alle leben sehr eng nebeneinander, sitzen Schulter an Schulter in der U-Bahn, teilen uns Taxis und kauern zusammen in Bars oder Restaurants. Alles was diese Stadt großartig macht, hat sie zu einer Laborschale für den Virus gemacht. Hier gibt es sehr viele Corona-Fälle und nicht genügend Betten, Ventilatoren, Masken, etc. Wir haben etwa 50.000 Betten und die Prognose sagt, dass wir am Höhepunkt ungefähr 140.000 brauchen werden. Aber wir halten zusammen. Unser Ministerpräsident Andrew Cuomo macht einen hervorragenden Job. Er ist transparent, ehrlich, sachlich und versucht sein Bestes, um Lösungen zu finden.

Hast Du Angst davor, dass Dein Land denselben katastrophalen Weg wie Italien gehen könnte?
Leider werden wir das.

Vertraust Du Eurem Gesundheitssystem, dass es mit der Pandemie, so gut es geht, umgehen kann?
Ich vertraue allen hart arbeitenden Professionellen, die an der Front sind, aber auf keinem Fall vertraue ich dem privaten Krankensystem. Das sollte auch eine Erinnerung für alle auf der Welt sein, die das Glück haben, von einem kostenlosen Gesundheitssystem profitieren zu können. Ich muss monatlich mindestens 800 Euro aufbringen, um eine ordentliche Behandlung zu bekommen. Aber in meiner jetzigen finanziellen Situation ist das keine Option. Hoffentlich werde ich nicht ernsthaft krank und muss dann mit Rechnungen in die Hunderttausende rechnen.

Wie lange, denkst Du, wird es dauern, bevor die Welt wieder zurück zum "Normal-Zustand" ist?
Wir werden zu einer neuen "Normalität" in verschiedenen Phasen zurückkehren. Ich denke, es könnte in naher Zukunft einen Test geben, der Immunität feststellen kann und somit den Menschen wieder erlauben wird, arbeiten zu gehen.
Normalität wird neu kalibriert werden.

Was könnte der größte Schaden für Dich persönlich oder Dein Land nach Corona sein?
Insolvenz, Konkurs, Obdachlosigkeit, Tod...

Wie denkst Du, wird die Welt nach der Corona-Pandemie sein?
Schockiert und traumatisiert. Ich glaube, die Angst wird nicht so schnell verschwinden. Manche Leute könnten weniger risikofreundlich werden, andere werden ihr Leben noch mehr genießen und manche Menschen werden die Gemeinschaft mehr zu schätzen wissen und so schnell es geht versuchen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Volkswirtschaft wird am Boden sein. Zwar haben wir ein finanzielles Hilfspaket von zwei Billionen Dollar, aber leider ist das nicht genug. Viele Staaten/Städte und individuelle Firmen werden leer ausgehen. Uns steht emotionale und wirtschaftliche Wiederherstellung bevor. Die Kunstwelt muss wieder mehr wertgeschätzt werden. Gerade in der jetzigen Zeit lesen wir viel, schauen uns Filme an und hören Musik, um uns abzulenken. Wir müssen kreative Leute wieder mehr wertschätzen.

Ich hoffe, dass wir von dieser Zwangspause profitieren und die Menschen sich neue Prioritäten setzen. Jedoch habe ich Bedenken, dass die Egoisten noch egoistischer werden. Die globale und einheimische Zusammenarbeit in dieser schwierigen Zeit könnte ein positives Resultat sein. Wir brauchen eine vernünftige Führung, besonders hier in Amerika. Im November sind Wahlen und ich hoffe, dass sich die Dinge dann zum Besseren wenden werden.


GROSSBRITANNIEN
Johns Hopkins University Corona-Statistik 01.04.2020:
66,4 Millionen Einwohner / 15.022 Infizierte / 1.228 Tote

Hannah aus Edinburgh arbeitet im Home Office mit drei Kindern an ihrer Seite ...

Hannah (42), Direktorin für Entwicklung beim Edinburgher Wirtschaftsfestival, wohnhaft in Edinburgh, Schottland

Sind Du und Deine Familie gesund?
Wir sind seit einigen Tagen in Isolation. Zwar hatten ich und eins meiner Kinder Husten, aber ich nehme an, dass es nichts Ernstes ist.

Wie findest du die derzeitige Corona-Situation?
Sehr stressig und beängstigend.

Gehst Du derzeit arbeiten oder hast Du Deinen Job aufgrund der Krise verloren?
Ich bin sehr dankbar, dass ich noch meinen Job habe. Aber unser Festival und die Tour unseres Bildungsprogramms wurden abgesagt. Ich muss jetzt alles umschwenken.

Wie beschäftigst Du Dich, während du in Isolation bist?
Ich habe drei Kinder und einen Vollzeitjob. Ich stehe nicht still.

Was macht Dir die größten Sorgen?
Dass ich meinen Kindern (6, 9, und 11) nicht genügend Aufmerksamkeit schenken kann. Sie sind nicht in der Schule und sollen von zu Hause aus lernen, aber mein Ehemann und ich sind beide im Homeoffice und haben viel zu tun. Wir versuchen sie so gut es geht zu beschäftigen, um ihnen den Stress und die Angst zu nehmen, damit sie merken, wie sehr wir sie lieben. Auch vermisse ich es schrecklich, meine Eltern zu sehen; sie wohnen isoliert in Glasgow.

Wie denkst Du, geht Dein Land mit der Corona-Krise um?
Ganz furchtbar. Wir haben zu spät reagiert und viele Menschen haben die Ratschläge nicht beherzigt. Die Lage wird sehr ernst werden.

Hast Du Angst davor, dass Dein Land denselben katastrophalen Weg wie Italien gehen könnte?
Ja, auf jeden Fall.

Vertraust Du Eurem Gesundheitssystem, dass es mit der Pandemie, so gut es geht, umgehen kann?
Ich vertraue den medizinischen Fachkräften in unserem Land, dass sie versuchen mit dieser Pandemie so gut es geht umzugehen. Meine persönliche Meinung ist, dass unser Gesundheitssystem (NHS) jahrelang keine finanzielle Unterstützung bekommen hat und somit ungenügend Mittel zu Verfügung stehen.

Wie lange, denkst Du, wird es dauern, bevor die Welt wieder zurück zum "Normal-Zustand" ist?
Vielleicht zwei Jahre oder mehr

Was könnte der größte Schaden für Dich persönlich oder Dein Land nach Corona sein?
Jobverluste, einen Rückgang der Konjunktur, Familie/Freunde, die krank werden oder sterben. Es ist eine neue Realität.

Wie denkst Du, wird die Welt nach der Corona-Pandemie sein?
Ich hoffe, dass die Menschen untereinander weniger Unterschiede sehen, sondern viel mehr Gemeinsamkeiten. Die Welt wird sich für immer verändern. Wie genau, dass weiß ich nicht. Der Klimawandel muss als Nächstes zusammen angepackt werden. Es wird interessant zu sehen sein, wie sich die Luftverschmutzung nach diesem globalen Lockdown geändert haben wird. Ich hoffe sehr, dass die Leute (Verkäufer, Ärzte, medizinische Fachkräfte), die während dieser Krise alles am Laufen gehalten haben, mehr Anerkennung bekommen. Auch wünsche ich mir, dass unser Gesundheitswesen, die NHS, gerettet wird. Vielleicht werden Experten und Wissenschaftler von der Öffentlichkeit auch endlich wieder mehr angesehen. (Carina Jirsch) +++

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