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Keine festen Strukturen mehr: Ein selbstbestimmtes Berufsleben in Italien
31.08.20 - Manchmal geht das Leben Wege, die man früher nie für möglich gehalten hätte. Trotzdem merkt man aber, dass es genau die richtigen Wege waren und man plötzlich glücklicher denn je ist. Als Angelika Lieder vor knapp vier Jahren ihren Platz als Theater- und Konzertdirektorin der Stadt Fulda freimachte, hätte sie wohl niemals gedacht, dass sie heute mindestens eine Woche pro Monat in Italien verbringen würde und dass sie sich dabei so nah sein würde wie nie zuvor.
Es war Oktober 2016, Auftakt der neuen Spielzeit im Fuldaer Schlosstheater – und Angelika Lieder sagte Tschüss. Tschüss Schlosstheater, tschüss Fulda. Der Stadt, in der sie mehr als 17 Jahre lang arbeitete, drehte sie den Rücken zu. "Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich mal wieder an mich selbst denken musste", sagt sie heute. Bereut habe sie den Schritt nie. Im Gegenteil, er war der Auftakt zu einer endlosen Liebe zu einem Land, in dem sie heute mindestens eine Woche pro Monat als Beraterin für verschiedene Künstler arbeitet.
Lieder kann sich noch gut daran erinnern, wie sie sich in ihrem Elternhaus in Darmstadt, wo sie heute in der restlichen Zeit des Monats lebt, entschloss, mit dem Zug nach Italien fahren zu wollen. "Ich bin 24 Stunden bis nach Kalabrien gefahren. Und in den sechs Tagen, die ich dort verbracht habe, hat es nur geregnet." Lieder entschied also, dass sie auf jeden Fall noch mal in das Land musste, wenn die Sonne scheint. "Und das habe ich gemacht und bin immer wieder gekommen." Inzwischen hat sie in dem Land am Mittelmeer nicht nur einen engen Freundeskreis, sondern auch beruflich das gefunden, wonach sie schon lange suchte.
"Natürlich habe ich nach meiner Arbeit in Fulda mit dem Gedanken gespielt, mich wieder irgendwo einstellen zu lassen." Aber Lieder habe keine festen Strukturen mehr gewollt, sie wollte frei sein und das tun dürfen, wonach ihr die Laune stand. "Also arbeite ich heute als Beraterin für Künstler und Musiker." Fulda zu verlassen, sei dennoch nicht ganz einfach gewesen. "Ich hätte gern 40 Jahre Schlosstheater gefeiert." Doch manchmal muss man eben gehen, wenn es am schönsten ist. Und die Zeit in Fulda war für Lieder eine schöne, auch wenn sie nicht immer all das umsetzen konnte, was sie gern wollte.
Dass sie auf irgendetwas, was sie in den über 17 Jahren geleistet hat, besonders stolz sei, möchte Lieder nicht unbedingt sagen. "Stolz ist ein Wort, das ich gern umgehe." So kannte man Lieder auch in ihrer Zeit in Fulda. Viel Wirbel um ihre Person hat sie nie gemacht. Dennoch: Bei ihrer Verabschiedung im Schlosstheater, sagte Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld damals, sie habe eine Ära geprägt. "Mein Kollege, Alexander Bug, und ich haben immer versucht, dem Publikum in jedem Jahr etwas Neues zu offerieren." Auf diese Weise entstanden nicht nur die Wahl-Abos, sondern viele Neuerungen, die das Publikum neugierig machen sollten.
"Und noch dazu wollte ich immer nah am Publikum sein. Ich war bei allen Veranstaltungen selbst anwesend und habe die Gespräche und Diskussionen im Publikum mitbekommen." Das größte und schönste Kompliment in ihrer Zeit in Fulda sei ebenfalls aus dem Publikum gekommen: "Ein Gast hat mir mal gesagt, dass er das Stück, das aufgeführt wird, nicht kannte und deswegen eigentlich nicht kommen wollte. Weil er mir und meinem Geschmack aber vertraute, sei er dennoch im Schlosstheater erschienen und nicht enttäuscht worden." (Suria Reiche) +++