2014 mit Fennel-Comeback & U-Boot-Messe

28.03.14 - Kinderarbeit ist eine Riesensauerei. In Indien, Kolumbien, Ecuador, Peru, Thailand und Kambodscha können die Kleinen ein Lied davon singen. Gestern musste tragischerweise auch in Osthessen der Nachwuchs ran, wurde brutal aus dem geliebten Schulalltag gerissen. Ziel der menschenverachtenden Aktion „Girls’ Day" bzw. „Boys’ Day": Mädchen sollen in klassische Männerberufe eintauchen, Jungen dürfen sich einen Eindruck davon verschaffen, was Frauen in der Arbeitswelt leisten. Die Redaktion von Osthessen-News hat einen Siebtklässler begleitet.

Pünktlich morgens um 9 erscheint Benjamin in „Susis Beauty-Stübchen". Der 13-Jährige wird heute hautnah erleben und selbst ausprobieren, wie professionelle Kosmetikerinnen arbeiten. Erste Kundin des Tages ist die Direktorin des Gymnasiums, die sich für einen Empfang des Staatssekretärs noch einmal komplett aufbrezeln lassen möchte. Weil Benjamin in seiner Bewerbung seinen Vornamen fehlerfrei schreiben konnte, hält Chefin Susi große Stücke auf den Jungen und vertraut ihm die Schulleiterin an. Die 58-Jährige will das volle Programm und freut sich auf ein „entspanntes Spa-Erlebnis mit Wellness-Maske". Der 13-Jährige sucht verzweifelt im Regal nach dem gewünschten Produkt. Da er von Spar nichts findet, nimmt er halt die schwarze Edeka-Schuhcreme „Black Devil – für extrem verblichenes Leder" und verpasst seiner Kundin damit ein wenig atmungsaktives Gesichtspeeling. Auch sein Pausenbrot mit Gürkchen und Ei packt er dazu.

Trotz der kleineren Hautirritationen macht die Dame einen zufriedenen Eindruck und erzählt von Concealer, Pigmenten, Augenringen und Camouflage. „Ich möchte wieder so glatte Haut wie mit 40", säuselt sie tiefenentspannt. Benjamin lässt sich nicht zweimal bitten. Die nächste Stunde spachtelt, schleift, schmirgelt und verputzt der begeisterte Modellbauer ohne Unterbrechung. Er beeilt sich, damit der frisch angerührte Gips nicht fest wird. Der viele Kleister im Pappmaschee erlaubt es dem Nachwuchs-Make-up-Artisten, auch größere Falten und die tiefen Tränensäcke vollständig aufzufüllen. Im vorletzten Schritt tanzt die Auto-Poliermaschine seines Vaters mit höchster Drehzahl über das Gesicht der Kundin, bevor der Junge sein Werk mit „Mike Sanders Korrosionsschutzfett" vollendet.

„Denken Sie bitte auch an Mascara, Aloe Vera und mein Iris-Extrakt." Keine Minute später hat der 13-Jährige einen Alcantara-Fetzen aus dem Sofa gerissen und reibt dezent die letzten Schuhcreme-Reste aus dem Gesicht. Dann geht er in den Aufenthaltsraum der Mitarbeiterinnen. Er sucht und fragt, doch ohne Ergebnis. „Die Vera und die Iris sind heim", gesteht er der Schulleiterin. Die äußert schon den nächsten Wunsch: „Dann kümmern Sie sich um meine Besenreiser." Der Junge wird rot. „Um ihre beiden B...", stottert er verlegen. „Hier, vor allen?" Als die Kundin auf eine Massage in ihrem Problembereich besteht, bleibt Benjamin keine andere Wahl. Er schließt die Augen, zählt bis drei und packt zu.

Im selben Moment kassiert er eine Backpfeife. „Ihr impertinenter Kollege hat mir an die Brust gegrapscht", echauffiert sich die 58-Jährige und verlässt wutentbrannt, dafür vollständig hohlraumversiegelt, „Susis Beauty-Stübchen". Jetzt erst kapiert der Schüler, dass „Besenreiser" kein Spitzname für den weiblichen Busen ist. Chefin Susi ist das egal – sie macht kurzen Prozess und wirft das „versaute Kerlchen" aus ihrem Laden.

In seinem Schulbericht über den „Boys’ Day" äußert sich Benjamin trotz des kleinen Vorfalls voll des Lobes über den Beruf, in den er hineinschnuppern durfte. „Eine sehr interessante Aufgabe, die leider den Frauen vorenthalten ist. Die arbeiten hier mit den neuesten Technologien: nicht nur mit iPad und iPhone, sondern sogar schon mit dem kommenden iLiner." (JOCHEN WIELOCH)

HINTERGRUND: „Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 20. Freitag in Folge bei osthessen-news.de. Jochen Wieloch (37) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 37-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor.  +++