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Der Eisenberg ruft zur stillen Einkehr: Unterwegs mit Kräuterfrau Christa Becker
18.06.20 - Es ist eine stille Einkehr, die rund um den Eisenberg, mit seinen 636 Metern die höchste Erhebung des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, vorherrscht: Zugegeben, das Wetter könnte an jenem Morgen, an dem ich mich mit Kräuterfrau Christa Becker treffe, etwas schöner sein. Ein wenig trübe und tief hängen die Wolken herab, als wir uns von unserem Startpunkt aus, dem Wanderparkplatz "Am Stern", auf Entdeckungstour begeben.
Gefühlte tausende fein nuancierte Grüntöne erwecken in meinem Innersten ein wohltuendes Gefühl der Entschleunigung. Ich atme auf, während meine Begleiterin und ich Quellen und Bäche, feuchte und trockene Wiesen, Wälder, Flora und Fauna in Augenschein nehmen. Behutsam greift Christa Becker nach dem Zweig eines Holunderstrauches. Beinahe andächtig streicht sie mit ihrer linken Hand über weißen Blütendolden.
"Holunder ist eine gesunde und vielfältige Heilpflanze, deren Blüten und Beeren sich prima verarbeiten lassen", erklärt die gebürtige Herrenbergerin, die im November 2014 ihre Ausbildung in Pflanzenheilkunde an der Vogelsberger Kräuterschule abgeschlossen hat und mittlerweile die Gemeinde Neuenstein ihre Heimat nennt. "Aus den Blüten kann beispielsweise Sirup, Likör oder Gelee hergestellt werden, aus den Beeren Konfitüre oder Saft."
Kräutergarten Eisenberg
Mit geschultem Auge lenkt Christa Becker meinen Blick auf Gewächse am Wegesrand, an denen ich ansonsten achtlos vorbeigehen würde. "Hier, im Knüllgebirge, wachsen viele besondere Pflanzen. Der Eisenberg entpuppt sich als wahrer Kräutergarten", sagt die Neuensteinerin, die freiberuflich als Kräuterfrau tätig ist. "Ich entdecke bei jedem Spaziergang an Stellen, an denen ich schon hundertmal vorbeigekommen bin, etwas neues."
Spricht’s, um ihre Aufmerksamkeit einer Pflanze mit zarten blauen Blüten zu widmen, die mit ihren Füßchen im Wasser steht. "Die Blüten und Blätter der Bachbunge, die geschmacklich an Brunnenkresse erinnern, peppen Salat wunderbar auf. Vor Gebrauch sollten sie allerdings gut gewaschen werden, da ihnen eventuell kleine Wassertiere anhaften."
Gemeinsam erliegen wir der Schönheit von seltenen Orchideenarten, die die sumpfigen Wiesen säumen. Giersch, schwarze Teufelskralle, Wiesenknöterich, Waldmeister und Breitwegerich kreuzen unseren Weg. Mit ihren Kräuterwanderungen und -spaziergängen, die sie regelmäßig anbietet, verfolgt die Vertreterin einer zum Teil in Vergessenheit geratenen Zunft ein klares Ziel: "Mir geht es vor allem darum, den Teilnehmern Achtsamkeit vor der Pflanzenwelt zu vermitteln und deren Augen zu schulen, genauer hinzuschauen und wahrzunehmen, welch kostbare Schätze da eigentlich am Wegesrand wachsen. Zudem möchte ich meine Begeisterung für Flora und Fauna sowie für die grüne Küche mit anderen Menschen teilen."
Am Rande einer Wiese, auf der Margeriten mit ihren weißen Blütenköpfchen strahlen, legen wir eine kurze Rast ein. Gegen den Durst reicht Christa Becker wohlschmeckende Kräuterlimonade. "Dafür braucht es lediglich Apfelsaft, Zitrone, Mineralwasser und Kräuter, wie Brennnessel, Giersch, Schafgarbe, Gundermann, Pimpinelle, Zitronenmelisse und Minze", berichtet die Kräuterfrau.
Durch und durch erfrischt, erklimmen wir die letzten Meter bis zum "Gipfel". Angekommen am Berggasthof Eisenberg, der derzeit samstags, sonntags und an Feiertagen ab 11 Uhr geöffnet hat und von der Buslinie 370 ab Bad Hersfeld angesteuert wird, nehmen uns Engelbert Klapwijk und Nico Hagens in Empfang. "Wir haben die Zeit des Corona-Lockdowns dafür genutzt, das Haus zu sanieren und umzugestalten", sagen die beiden Inhaber. "28 Zimmer stehen Wochenendausflüglern zur Verfügung."
Willkommen im Berggasthof
Sowohl Klapwijk als auch Hagens sind dem "spannenden Kontrast zwischen Sportivität, Ruhe, Natur und sinnlicher Schönheit", mit dem der Eisenberg aufwartet, längst erlegen. "Trainierte Radfahrer können sich auf der Bergstrecke austoben, während Freizeitsportler sich per Bus auf den Berg begeben und mit dem Rad hinabsausen können. Wanderwege in unterschiedlichen Längen und den mannigfaltigsten Schweregraden, wie der Eisenberg-Steig, der Eisenberg-Siegelweg, der Eisenberg-Panoramaweg oder der archäologischer Rundwanderweg, locken raus in die Natur", geraten die beiden ins Schwärmen.Für den krönenden und süßen Abschluss einer wundervollen Wanderung, die Balsam für die Seele ist, sorgt ein Stück Eisenbergtorte, die eine heimische Bäckerei extra für den Berggasthof kreiert hat. Dunkler Biskuitboden, Sahne und mit Williams-Christ-Likör verfeinerter Birnenkompott streicheln den Gaumen. Der Eisenberg hat gerufen – und auch ich bin seinem Charme erlegen. Mehr Infos unter: http://www.christabecker.de/, http://www.resort-eisenberg.de/ sowie https://www.rotkaeppchenland.de/.