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Sommerinterview Landrat Manfred Görig (2): Über die Vorteile eines Landlebens
25.07.21 - Teure Immobilienpreise, wenig Natur, zu viele Menschen auf einem Fleck: Corona hat den Trend der Menschen, von der Stadt zurück aufs Land zu ziehen, noch einmal verstärkt. Auch im Vogelsberg ist der Zuzug wieder deutlich spürbar - was laut Landrat Manfred Görig auch daran liegt, dass die Menschen wieder mehr Wert auf Lebensqualität legen - für sich und für ihre Familie.
Wir treffen Landrat Manfred Görig zu unserem Sommerinterview an einem seiner liebsten Plätze im Vogelsbergkreis: einer Jagdhütte am Mehlbacher Teich, zwischen Romrod/Zell und Ehringshausen. In diesem Wald ist der leidenschaftliche Jäger regelmäßig unterwegs, schätzt die Geselligkeit am sonntäglichen Stammtisch in der Jagdhütte, die Ruhe und die Natur.
Corona als Vorteil
Und da ist Görig lange nicht der einzige: Denn immer mehr Menschen kommen von Stadt- und Ballungsgebieten wieder zurück in den ländlichen Raum, weil sie eben genau das wertschätzen. "Den Trend gab es schon vor Corona. Im Vogelsberg sind seit etwa sieben Jahren mehr Zuwanderungen als Abwanderungen zu verzeichnen", weiß der Landrat. Dieser Trend wurde durch Corona noch einmal verstärkt. "Trotz aller Schwierigkeiten, die es durch Corona gegeben hat, waren und sind wir hier im Vogelsberg prädestiniert - wir haben die Natur und die Wälder direkt vor unserer Nase."
Der Vogelsbergkreis ist der dünnbesiedelste Landkreis in ganz Hessen - und das war gerade während der Pandemie von Vorteil. "Wir haben Platz, wir haben Raum, hier kann man sich aus dem Weg gehen." Das wissen die Vogelsberger zu schätzen - und auch die, die sich die Vulkanregion als neuen Wohnort ausgesucht haben: "Die Leute achten immer mehr auf Lebensqualität und finden es wichtig, dass Familie und Kinder in einem vernünftigen Umfeld aufwachsen", so Landrat Görig. "Und da gehört ein Stück weit die Natur dazu."
"Von diesem Schüler-Lehrerverhältnis träumen die Frankfurter"
Lebensqualität geht außerdem beim Thema Bildung weiter, denn der Kreis ist auch in Sachen Schule ganz anders aufgestellt als andere Kommunen in Hessen. "Wir haben hier ganz kleine Schulen, wir haben keine Klassen wie im Ballungsraum mit 30 Schülern und mehr. Bei uns sind die Klassenstärken wesentlich geringer. Beim Schulentwicklungsplan haben wir ganz bewusst darauf gesetzt und haben gesagt, dass wir auch die kleinsten Schulen im Kreis beibehalten wollen, solange es noch geht." Denn von diesem Schüler-Lehrerverhältnis würden die Frankfurter nur träumen, so Görig. "Wir sind hier auch so ausgestattet, dass wir vernünftigen Unterricht halten können und dass alles da ist, was gebraucht wird."
In den Schulen wird immer mehr auf digitales Lernen umgerüstet - genauso wichtig ist das auch am Arbeitsplatz. Denn auch das Thema Home-Office hat durch Corona eine ganz andere Bedeutung bekommen: Viele können ihre Arbeit nun in weiten Teilen von zuhause erledigen und können so mühsame Fahrten zum Arbeitsplatz reduzieren oder gar ganz sparen. Ein weiterer Vorteil für das Leben auf dem Land: "Natürlich muss dafür auch die Breitbandversorgung stimmen", so der Landrat und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Großteil der Versorgung schon gegeben ist und private Firmen in der nächsten Zeit zusätzlich viele Gebiete mit Glasfaser versorgen wollen.
Niedrige Immobilienpreise und Attraktivität durch ÖPNV
Dies sei ein wichtiger Punkt, der nicht aus den Augen zu verlieren sei - denn nur eine Immobilie gemeinsam mit einem Glasfaseranschluss ist für einen Wohnortwechsel im ländlichen Raum lukrativ. Doch auch die Preise sprechen im Vogelsberg eine deutliche Sprache: "Was man beispielsweise im Rhein-Main-Gebiet für eine Immobilie bezahlen muss, ist selbst für Gutverdiener nicht mehr zu leisten. Hier fangen die Preise schon bei 20 Euro pro Quadratmeter an - das kommt uns natürlich auch zugute." So wie auch eine niedrige Kriminalitätsrate, dörfliche Strukturen und eine funktionierende Nachbarschaft.
Um auch weiterhin attraktiv zu bleiben, hat sich die Politik jetzt außerdem auf die Fahne geschrieben, den ÖPNV noch zu verbessern. "Das heißt aber nicht, dass angestrebt werden soll, dass in jedem Ort stündlich ein Bus fährt", ergänzt Görig. Denn das sei eine unlösbare Aufgabe. Laut Landrat mache ÖPNV nur da Sinn, wo der Individualverkehr von einer bestimmten Anzahl Menschen gebildet werden kann. "Deshalb müssen wir Strecken suchen, die die Hauptorte miteinander verbinden - und das im Stundentakt." Denn ein Bus, der von Ulrichstein nach Alsfeld drei Stunden wegen zu vieler Halte brauche, sei sinnfrei. "Die Geschwindigkeit ist das A und O, damit steigern wir die Attraktivität." Dennoch bleibe das Auto im Vogelsberg vorerst das Verkehrsmittel Nummer eins. (Luisa Diegel) +++