06.03.23 - Wiebke Möller lebt ihren Traum. Natürlich geht die 46-jährige Kauffrau für Bürokommunikation aus Lauterbach auch gerne zur Arbeit, und dennoch lautet ihre Botschaft: "Ich arbeite, um mir die ehrenamtliche Tätigkeit zu ermöglichen!" Wiebke hat mit ihrem Lebensgefährten Stefan Mink vor vielen Jahren die Rettungshundearbeit im Vogelsbergkreis gestartet. Heute leiten sie die Rettungshundestaffel Vogelsberg der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. in Lauterbach – eine von mehreren Rettungshundestaffeln unterschiedlicher Träger, die als Partnerorganisation des Polizeipräsidiums Osthessen in dessen Bereich ehrenamtlich tätig sind. OSTHESSEN|NEWS hat mit ihr über ihre wertvolle Arbeit gesprochen.
Aktive der Rettungshundestaffel bei einer Übung im Feb. 2022 unter Leitung von Wiebke ...Archivfoto: O|N/goa
"Die großangelegte Suche nach einem vermissten Kind im Bereich Schotten hat mich in 2005 inspiriert, meine damalige Arbeit mit Hunden im Hundeverein Lauterbach neu auszurichten: Ich beschloss, den Jagdtrieb meines Flat Coated Retrievers systematisch für die Suche nach vermissten Personen nutzbar zu machen", blickt Wiebke Möller zurück. Sie schloss sich mit ihrem Lebensgefährten Stefan Mink zunächst einer Rettungshundestaffel (RHS) in Limburg an, um reichlich Erfahrungen zu sammeln. 2009 wechselten sie zur Johanniter-Unfallhilfe Hessen-Mitte, um dann in 2014 die RHS Vogelsberg zu gründen. Eine Erfolgsgeschichte: die Staffel umfasst heute 17 Aktive mit 20 Hunden, die Teams kommen aus Lauterbach, Alsfeld, Homberg, Ulrichstein, Großenlüder und Hünfeld. Wiebke Möller ist für die Ausbildung der Hundeführer und ihrer Hunde bis zur Prüfung verantwortlich. Bis ein solches Paar gemeinsam in den Einsatz gehen darf, dauert es bei einem optimalen Verlauf etwa eineinhalb Jahre intensiver Vorbereitung.
"Die Zugehörigkeit zur Staffel fühlt sich an wie eine Familie"
"Ich bin ein Vogelsberger Kind", sagt sie über sich: geboren in Lauterbach, aufgewachsen in Angersbach und wohnhaft in Rimlos, ihre Arbeitsstelle als Vertriebsassistenz-Teamleiterin befindet sich in Fulda. Hobbies hat sie außer der Arbeit mit den Rettungshunden und deren Frauchen und Herrchen sonst keine. "Dafür wäre auch keine Zeit mehr. Wir verbringen viel Freizeit gemeinsam mit der Staffel, jede Woche sechs bis acht Stunden rein ehrenamtlich. Nach einem Einsatz oder einer Übung dann das Gefühl zu haben, es gemeinsam als Team geschafft zu haben, das ist ganz toll. Aber eins ist für mich immer ganz klar: bei aller Anerkennung und Wertschätzung für die Leistungen unserer Hunde sind in meinem Empfinden dann doch nicht sie das "Wunder", sondern der Mensch. Mit wieviel Entbehrung und Selbstlosigkeit sich unsere Leute bei einer Alarmierung zu jeder Tages- und Nachtzeit, also 24/7/365 einbringen, darauf sind wir von der Staffel-Leitung sehr stolz. Es fühlt sich an wie eine Familie, man wächst sehr zusammen!" So erklärt sich auch Möllers Antwort auf die Frage, welche Situation ihr als für sie besonders belastend in Erinnerung ist: "Bei einem Einsatz, in dem es einen sogenannten "Totfund" gab, war ich beruflich verhindert. Meinen eingesetzten Staffelkollegen dann nicht beistehen zu können, empfand ich als ganz schwierig."
"Wer einmal in die Augen einer geretteten Person geschaut hat, weiß, warum er dies tut!"
Das genaue Gegenteil bilden naturgemäß erfolgreiche Sucheinsätze. Wiebke Möller beschreibt die Situation des ersten Lebendfundes der Staffel. "Ein älterer Herr war aus einer Einrichtung in Homberg/Ohm abgängig. Meine Kollegin fand ihn kurz nach Beginn der Suche und wir haben den unterkühlten und verwirrten Herrn versorgt, bis der RTW da war. Er war so dankbar, dass er gefunden wurde. Wir hatten ihn damals im Foyer der Einrichtung erstversorgt und ihm trockene Kleidung angezogen, da er nass geworden war. Er hatte sehr gefroren und war so erleichtert und freute sich über unsere Hilfe. Die Dankbarkeit zu sehen und spüren war so schön und hat mich bestätigt: Es ist die Mühe wert, dieses Ehrenamt ausführen. Wer einmal in die Augen einer geretteten Person geschaut hat, weiß, warum er dies tut!"
Dass eine erfolgreiche Suche nicht unmittelbar immer eine Rettung, aber dennoch einen besonderen Erfolg darstellen kann, zeigt der zurzeit letzte Lebendfund der Staffel im vergangenen Sommer. "Wir sind mit unserem Mantrailer und den Flächenhunden zu dem Einsatz in Thüringen nachgefordert worden. Unser Mantrailer konnte die Spur der vermissten Person vom abgestellten Auto bis zum eigentlichen Wohnhaus verfolgen. Das war komisch. Es wurde dann nochmal eine Durchsuchung des Wohnhauses durch die Polizei und die Feuerwehr vorgenommen und tatsächlich war die vermisste Person nach ihrer Suizidankündigung heimlich ins Haus zurückgekommen. Das war eine super Leistung des Teams und ich war mächtig stolz auf den Hund und die Hundeführerin."
Kein Ausgleich für Arbeits-Fehlzeiten
Die Bedeutung von Suchhunden als unerlässlichen Helfern menschlicher Retter ist durch die Medienbilder nach dem Erdbeben in der Türkei wieder im kollektiven Bewusstsein. "Unsere Staffel kommt nur bei der Flächensuche und als Mantrailer zum Einsatz, wir suchen nicht in Trümmerfeldern. Für die Ausbildung dieser speziellen Einsatzform braucht es gesonderte, sehr aufwändige Trainings-Szenarien, nur wenige weit entfernte Übungsorte stehen dafür überhaupt zur Verfügung. Möllers Ton wird nachdenklich: "Die Politik wünscht sich mehr Teams für die Trümmersuche, tut aber insgesamt für die Rettungshundestaffeln nicht allzu viel. Beispiel: Unsere Arbeitgeber erhalten bei Einsätzen während unserer Arbeitszeit keinerlei Ausfallvergütung, wie es bei der Feuerwehr selbstverständlich der Fall ist. Entweder unsere Arbeitgeber stellen uns freiwillig frei oder es ist für die Aktiven eben Fehlzeit." Wiebke Möller setzt noch einen drauf: "Es ist noch nicht einmal einheitlich geregelt, dass die Halter von Rettungshunden von der Hundesteuer befreit sind. Manche Gemeinden machen das, manche nicht. Das fühlt sich in etwa so an, als müssten die Feuerwehrleute aus Kostengründen das Löschwasser von zu Hause zum Brandort mitbringen."
"Bei der Würdigung unserer Arbeit ist noch Luft nach oben!"
Wiebke Möller und ihre Mitstreiter sind und bleiben mit größtem Elan motiviert. Trotzdem (oder gerade deshalb) dürfen ihre Schlussworte als Appell verstanden werden: "Man könnte sagen, dass bei der staatlichen Würdigung der Rettungshundearbeit, die jedem Bürger das Leben retten kann, trotz vieler salbungsvoller Worte noch Luft nach oben gegeben ist." (goa) +++
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