31.07.23 - Es begann 1980 mit einem einzigen Schwarzkopfschaf. Es wurden mehr, dann folgte der Umstieg auf Milchschafe, zunächst zur Selbstversorgung. Dann wurde eine Käserei mit Direktvermarktung und eine erfolgreiche Herdbuchzucht daraus. Patricia Heilbronn hat sich in der Schäferszene einen hervorragenden Namen gemacht, der zwischen Altenburg und Hopfgarten mitten in der Natur gelegene Betrieb mit seinem Tierbestand expandierte lange Zeit. Nun reduziert sie den Bestand kontinuierlich – nicht ganz freiwillig, wie sich im Gespräch mit der leidenschaftlichen Schäferin zeigt.
Ihr Mann Heinz Heilbronn war einst der Begründer der Schäferei Klingelhof, zunächst mit Schwarzköpfen, bevor wegen der besseren Selbstversorgerqualitäten auf Milchschafe umgestellt wurde. Vielen ist er als "Gesicht und Stimme der Leitstelle des Vogelsbergkreises", als Stadtverordnetenvorsteher und Ortsvorsteher von Alsfeld - Altenburg bekannt. Ruhig und besonnen in seiner Art war der Sozialdemokrat über die Parteigrenzen hinweg eine anerkannte und geschätzte Institution in der Alsfelder Kommunalpolitik.
Patricia und Heinz Heilbronn, ein erfolgreiches Gespann
Mit der Zucht von Milchschafen begann er 1996, fünf Jahre später erfolgte der Wechsel der Verantwortlichkeit auf seine Frau Patricia, und das nicht nur auf dem Papier. "Milchschafe haben im Vergleich zu den Schwarzköpfen einen stärkeren Menschenbezug", erklärt sie. "Wir begannen nach dem Anwachsen des Bestandes, die Milch zu Käse und Joghurt zu verarbeiten. Das kam bei Freunden und Bekannten so gut an, dass wir uns entschlossen, mal am Bauernmarkt teilzunehmen. Mit Erfolg: das war der Beginn der Direktvermarktung der Produkte auf diversen Märkten der Umgebung!"
In der Spitze 17 Milchschafe plus Lämmer gehörten zum Bestand des Klingelhofs mit seiner einzigartigen Lage direkt am Bahndamm, aber mitten in der Natur. Ihnen steht eine Wiesenfläche von etwa vier Hektar zur Verfügung – ein Paradies, das Patricia von frühester Kindheit her kennt: sie ist ein Kind des Klingelhofs, bei dem es sich im Kern um ein ehemaliges Bahnwärterhäuschen mit An- und Umbauten sowie Nebengebäuden handelt.
In der betriebseigenen kleinen Käserei
Melken – lange Zeit reine Handarbeit
Kaum zu glauben: Über viele Jahre hinweg erledigte Patricia das zweimal tägliche, sehr anstrengende Melken der bis zu 17 Milchschafe in reiner Handarbeit, bis es die Gelenke und Sehnen nicht mehr mitmachten und dann doch eine Melkmaschine angeschafft wurde. Ihr Mann Heinz staunt selbst über das, was seine Frau da so lange stemmte. Als sie mal verreiste, erledigte er die Melkerei: "Das war furchtbar anstrengend, nach einer Weile hat es die Hand nicht mehr geschafft und ich musste die zweite Hand zu Hilfe nehmen. Ich habe die Rückkehr meiner Frau deswegen noch mehr herbeigesehnt!", sagt er mit einem Lächeln im Gesicht.
Die Direktvermarktung mit einem mobilen Verkaufswagen gestaltete sich erfolgreich: glückliche Schafe inmitten einer solchen Umgebung und liebevollen Intensivbetreuung führen sicher automatisch zu qualitativ hochwertigen Produkten: Käse der verschiedensten Sorten, Joghurt, Wurst und Fleisch, Wolle für Garn und Felle. Doch auch die Zucht führte zu Auszeichnungen und brummte: der Klingelhof erlangte den Ruf einer hessischen Spitzenzucht, Pokale, Ehrenurkunden und der bei Schafzüchtern nur alle drei Jahre verliehene Staatsehrenpreis zeugen davon. Gekörte Jungböcke verkauften sich sehr gut.
Mit ihm ist nicht zu spaßen – „seine Majestät“, der Schafbock
Dass ein solcher Betrieb einen 365 / 7 – Tage-Aufwand bedeutet, der gemeinsame Urlaube praktisch unmöglich macht, dürfte jedem klar sein. "Hier und da haben unsere beiden inzwischen erwachsenen Kinder uns mal eine gemeinsame Abwesenheit ermöglicht. Aber man ist einfach Teil des Betriebes und weiß, dass einer von uns immer da sein muss", weiß Patricia diesen Umstand einzuordnen. "Wir haben eine so enge Beziehung zu den Tieren und sie zu uns, das ist schon bemerkenswert. Inzwischen sind Heinz und ich Großeltern von drei Enkelkindern, und natürlich hat jeder Enkel sein eigenes Schaf.
Das Schaf von Niklas, "Paula", lässt sich zum Beispiel wirklich nur von ihm ausgiebig kraulen, sonst von niemandem. Das ist für ein Kind natürlich toll, so etwas zu erleben und damit aufzuwachsen." Die Vermittlung von Wissen zu den Tieren und ihren wertvollen Produkten liegt Patricia Heilbronn sehr am Herzen. Dies ist der Hauptgrund dafür, dass man sie bei Sondermärkten wie dem Alsfelder Märchen- und Kräutermarkt mit ihrem Spinnrad findet. "Der Umsatz ist mir an einem solchen Tag egal, aber wenn man Kindern erklären kann, was es mit Schafen, ihrer Milch, der Wolle und einem Fell auf sich hat, gibt mir das ein gutes Gefühl. Hin und wieder gibt es an meinem Stand tatsächlich Mütter, die aus eigener Unkenntnis ihrem Kind weismachen‚ ICH würde ‚mit dem Spinnrad die Wolle machen‘! Wie sollen Kinder dann die Bedeutung von Schafen richtig wertschätzen?"
Januar 2019 – ein Drama und seine Folgen
Das idyllische Treiben auf dem Klingelhof erfuhr im Januar 2019 einen prägenden Einschnitt. Patricia Heilbronn nimmt die Erinnerung heute noch sichtlich mit: sie fand ein Schaf mit schwersten Verletzungen, noch lebend, aber nicht mehr zu retten in der Dunkelheit auf der verschneiten Wiese. Ein grauenvoller Anblick, den sie nicht vergessen wird: "Das war die Hölle!" Für sie ist klar: Verursacher war ein durchreisender Wolf.
Zum zweifelsfreien Nachweis hätte die emotional schwer mitgenommene Schäferin ihr totes Tier in die Veterinärklinik der Uni Gießen zur Sektion und Erstellung eines DNA-Gutachtens verbringen müssen, damals noch auf eigene Kosten und bei widrigen Verkehrsverhältnissen. "Und wofür? Es hätte mir nach den seinerzeitigen Regelungen sowieso keiner den Schaden ersetzt", lässt sie keinen Zweifel an der für sie sinnlosen Untersuchung, die letztlich etwas bewiesen hätte, was für sie keines Beweises mehr bedurfte.
Der eine Schafsriss allein ist dabei nicht die eigentliche Dimension des Problems. "Inzwischen leben in Deutschland wieder deutlich mehr als eintausend Wölfe. Sie werden nicht gejagt und haben daher die Scheu vor der Nähe zu den Menschen verloren. Unsere Schafe konnten früher Tag und Nacht ins Freie und nach innen, das geht heute nicht mehr. Jeden Abend müssen sie reingeholt werden, und selbst das ist keine Garantie, dass nichts passiert." Patricia Heilbronns Freude bei der Beschreibung ihrer Leidenschaft ist im Gespräch spürbar gewichen. "Daher haben wir uns schweren Herzens entschlossen, den Bestand kontinuierlich zu reduzieren. Deshalb sind es derzeit nur noch acht Schafe, der Countdown läuft."
Eine Entwicklung, die natürlich nicht nur den Klingelhof betrifft, sondern langfristig die Existenz vieler Betriebe in Frage stellt. "Das wird auch unsere Kulturlandschaft verändern, denn Schafe sind sowohl hier bei uns als auch zum Beispiel an den Deichen sehr wichtig", blicken die Heilbronns mittel- und langfristig eher skeptisch auf die Perspektiven der Schafhaltung. Kurzfristig ist man auf dem Klingelhof aber wieder in Richtung Schafausstellung orientiert: Anfang September werden die Heilbronn-Schafe mit ihrer fürsorglichen "Chefin" wieder in Pohlheim-Holzheim um Pokale buhlen.
In einem weiteren Portrait unserer O|N - Serie werden wir demnächst einen Schäfer eines osthessischen Schafzuchtbetriebes vorstellen, dessen Schafe wie eh und je über die Weiden ziehen – ein tolles Bild, das wir so sehr lieben. Kleiner Wink: auch er ist, wie Patricia und Heinz Heilbronn vom Klingelhof, "Schäfer mit Herz"! (goa) +++
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