13.03.23 - "Nur fliegen ist schöner", sagt der Volksmund, oder man zitiert den "Traum vom Fliegen". Wer zum Himmel blickt, der sieht schnell, dass nach der Corona-Flaute inzwischen wieder recht lebhafter Flugverkehr über Osthessen herrscht.
Fluggäste und Flugzeugbesatzungen, aber ebenso die Menschen am Boden vertrauen darauf, dass die Flugbewegungen vom Start bis zur Landung zuverlässig und sicher ablaufen. Hochkomplexe Abläufe mittels modernster Technik sind der eine wichtige Baustein des Gelingens – und extrem spezialisierte Menschen in den Cockpits, im Tower und den Kontrollzentralen, die die Technik in- und auswendig beherrschen, der andere. Eine der größten Zentralen Europas befindet sich in Langen, unweit des Rhein-Main-Flughafens.
OSTHESSEN|NEWS hat dort die Deutsche Flugsicherung (DFS) besucht, zwei "Osthessen"-Spezialisten zu ihrer anspruchsvollen Arbeit befragt und einen Blick in die "heilige Kammer", die Kontrollzentrale, geworfen.
Der Flugsicherungsingenieur aus Fulda
Felix Schneider Fotos (3): goa
Felix Schneider hat 2018 in Fulda das Abitur gemacht und sich dann bei der DFS beworben. "Durch Urlaubsflüge von und zum Rhein-Main-Flughafen bin ich auf die Idee der Bewerbung bei der DFS gekommen. Es sollte etwas Technisches sein und das Angebot des Dualen Studiums zum Flugsicherungsingenieur hat mich angesprochen. Im September 2019 habe ich angefangen und nun an der Hochschule Darmstadt den Bachelorstudiengang Elektro- und Informationstechnik abgeschlossen. Mein spezielles Gebiet sind die Ortungsanlagen, also alle technischen Einrichtungen, um Flugbewegungen zu erfassen und die Flugzeuge mit allen nötigen Daten für die Fluglotsen sichtbar zu machen. Bei der DFS erwerbe ich nun über einen längeren Zeitraum noch alle möglichen weiteren Zertifikate, um dann zum Beispiel Radare zu warten und Reparaturen durchführen zu können."
Natürlich sei die Technik faszinierend, so zum Beispiel der große Radarturm im Odenwald oder sein Aufenthalt im Münchner Tower. "Dass ich bei der DFS arbeite, macht mich schon ein wenig stolz", sagt Schneider. "Die Betreuenden nehmen sich viel Zeit für die Studierenden und es ist ein sehr herzliches Arbeiten. Man sollte bereit sein, Verantwortung zu übernehmen, offen und vor allem teamfähig sein – dann ist man hier richtig!"
Umzug nach Darmstadt, aber "Fulda bleibt im Herzen"
Um nicht zu weit pendeln zu müssen, zog Felix nach Darmstadt. Wegen der Familie und Freunden hält er aber den Bezug zur Heimat Fulda, wo er sich bis zu seinem Umzug ehrenamtlich in der katholischen Jugendarbeit der Pfarrei sowie als Fußball-Schiedsrichter eingebracht hat. "Auch wenn ich für die Arbeit weggezogen bin – Fulda bleibt in meinem Herzen!"
Die Fluglotsin wacht über den osthessischen Luftraum
Damaris Schröder ist zwar keine Osthessin, kennt die Region aber wie kaum ein anderer. Allerdings aus einem speziellen Blickwinkel – sie ist nämlich eine der etwa 50 Fluglotsen, die von Langen aus den Einsatzbereich, zu dem auch Osthessen gehört, im 24/7-Schichtbetrieb bearbeitet. "Der Bereich umfasst etwa den Bereich Kassel – Coburg – Nürnberg – Stuttgart – Frankfurt. Wir Fluglotsen sind immer und ausschließlich an die jeweiligen Einsatzbereiche gebunden, weil man sich dort genauestens auskennen muss: alle Flugplätze, die Luftfahrstraßen und -ströme, alle möglichen Frequenzen und vieles andere mehr. Wir arbeiten immer im Team, also im Vier-Augen-Prinzip: einer fungiert als sogenannter Radarlotse und spricht mit den Piloten, während der sogenannte Koordinationslotse schaut, was aus den Nachbarsektoren übernommen und dorthin übergeben wird."
Stufenweise Steigerung der Kompetenzen
Damaris Schröder an ihrem Arbeitsplatz in der Kontrollzentrale
Die 29-jährige Heilbronnerin begann in 2013 ihre Ausbildung in Langen und ist seit sechs Jahren Fluglotsin. Seit 9 Monaten ist sie nun auch bereits als Coach im sogenannten On-the-Job-Training tätig, ein Baustein im stufenweisen Ausbildungsquerschnitt der DFS: zunächst viel Theorievermittlung an der Akademie, dann Heranführen an die Praxis mittels Simulationsanlagen und schließlich ununterbrochen beaufsichtigtes, also "gecoachtes" Agieren im Echtbetrieb. "Diese stufenweise Vermittlung von Kompetenzen ist hervorragend. Die angehenden Lotsen haben nie den Eindruck, überfordert zu werden, sondern vielmehr die Gewissheit, es würde gar kein Szenario geben können, auf das man nicht im Team vorbereitet wäre und das man nicht kontrolliert lösen wird." Damaris Schröder ist während des DFS-Besuchs von OSTHESSEN|NEWS nicht in Langen, wird aber von der Pressesprecherin per Videocall zugeschaltet. Schröder schwärmt von ihrer Tätigkeit, als hätte man sie für einen DFS-Werbetrailer gecastet, strahlt dabei aber viel Überzeugung aus. "Es ist ein großes Privileg, diesen Job machen zu dürfen. Wir sind uns unserer großen Verantwortung bewusst und arbeiten hochkonzentriert, dafür bekommen wir optimale Arbeitsbedingungen gestellt. Sowohl bei der Technik als auch beim Faktor Mensch gilt ausnahmslos und unbedingt: "Safety First!" Alle Systeme sind redundant ausgelegt, können also im Ausfall sofort lückenlos ersetzt werden, die wichtigsten Teile sogar doppelt redundant." So bleibt die Crew im Kotrollraum auch bei Störungen entspannt.
Kein Funkkontakt: muss die NATO-Alarmrotte aufsteigen?
Damaris Schröder im Videocall mit O|N
Schröder beschreibt einige immer mal vorkommende Störungen: "Es kommt hin und wieder vor, dass plötzlich der Funkkontakt zu einem Flugzeug abbricht: "Loss-Com" nennen wir das. Meistens handelt es sich um ein menschliches Versehen, manchmal um einen technischen Defekt. Die dann folgenden Abläufe sind standardisiert und gehen nach festgelegten Zeitfenstern soweit, dass unser Supervisor den Vorfall an die nationale Luftlage-Infozentrale meldet. Dort wird dann geprüft, ob die NATO-Alarmrotte aufsteigen muss, um sich schnellstmöglich dem Flugzeug zu nähern, die Lage zu klären und gegebenenfalls in verschiedenster Weise zu "intercepten". Dann räumen wir vorsorglich natürlich alle anderen Flugzeuge beiseite. So etwas kommt aber nur extrem selten vor."
Vom medizinischen Notfall bis zur Geburt in der Luft…
"Medizinische Notfälle an Bord sind dagegen immer mal wieder abzuarbeiten. Ich hatte mal einen Flieger, der aus England kam und eigentlich auf dem Weg nach Süden war. Wegen eines medizinischen Notfalls haben wir ihn aus dem oberen Luftraum übernommen und über dem Großraum Fulda zwei Schleifen drehen lassen, damit er auf dem nächstgelegenen geeigneten Flughafen, nämlich Frankfurt, sicher landen konnte. Einen ganz besonderen Vorfall bildete auch eine Geburt, die es tatsächlich mal an Bord einer Maschine gab – auch da wird die Maschine natürlich schnellstmöglich außerplanmäßig zur Landung geleitet, um Mutter und Kind optimal versorgen zu können. So etwas vergisst man dann auch nicht mehr, vor allem, wenn man nachher die Info bekommt: Mutter und Kind sind trotz der außergewöhnlichen Umstände wohlauf!"
Wenn man ihr zuhört, ist schnell klar, worin sie den Reiz ihrer Arbeit sieht: "Kein Tag ist wie der andere, die Arbeit ist abwechslungsreich bei den verschiedensten Lagen und Anforderungen, aber auch bei den Funktionen, die ich einnehmen kann. Es ist einfach immer spannend und interessant." Und bei den außergewöhnlichen Fähigkeiten, die Fluglotsen für ihre wertvolle Arbeit mitbringen müssen, versteht sich eines auch von selbst: "Wir haben nicht nur extrem gute Arbeitsbedingungen wie vielfältige Entspannung in den Pausen, sondern verdienen auch wirklich gutes Geld!"
Damaris Schröder lebt derzeit in Mainz und will bald nach Hessen ziehen. Als Ausgleichs-Hobby spielt sie in einem Orchester Posaune. "Ja, Osthessen kenne ich ein wenig von Ausflügen an die Wasserkuppe und die Rhön. Sehr schön, da werde ich mich noch öfter umsehen!"
Vor der Verabschiedung vergewissert sie sich noch sicherheitshalber: "Falls es noch nicht deutlich geworden ist: Ich habe absolut und ohne jeden Zweifel meinen Traumberuf gefunden!" Liebe Frau Schröder: es sei Ihnen hier noch einmal versichert – das war in dem Gespräch bereits sehr deutlich geworden…!
Mit der Pressesprecherin im Kontrollraum
Pressesprecherin Kristina Kelek
Pressesprecherin Kristina Kelek ist seit mehr als 25 Jahren bei der DFS tätig, und immer noch üben Fluglotsen und ihre Arbeit eine gewisse Faszination auf sie aus: "Die Lotsen haben in außergewöhnlichem Maße die Fähigkeit, dreidimensional denken zu können, multitaskingfähig und teamorientiert zu sein und einfach immer die Ruhe zu bewahren. Und dann gibt es noch etwas, das nennen wir "ein Picture im Kopf haben": bedeutet, dass man ein mentales Bild der Situation im Kopf hat, selbst wenn man die Augen schließen oder den Bildschirm verdecken würde. Man ist sich immer noch sämtlicher Flugzeuge und aller Umstände bewusst, die man zuletzt gesehen hat."
Beim Gang durch das geschützte Kontrollzentrum zeigt sie an den Monitoren, was sie meint. Die Teams sitzen an ihren Monitoren, Coaches haben etwas erhöhte Stühle und betreuen ihre Schützlinge via Telefonhörer, man hört gedämpftes Sprachgewirr im Saal, Funksprüche sind vernehmbar. Eine ruhige und entspannte Atmosphäre – nach allem, was man gehört und gesehen hat ,ein Ergebnis hochkomplexer und extrem aufwändiger Prozesse.
Jährlich 140 Stellen für angehende Fluglotsen
Kristina Kelek verweist nicht ohne Stolz darauf, als DFS für Schulabgänger ein attraktiver Ausbildungsbetrieb zu sein. "Für die jährlich rund 140 Ausbildungsstellen als Fluglotsen benötigen wir etwa 6000 Bewerber. Bei uns wird im Gegensatz zu manchen anderen Ländern bereits vor der Einstellung stark aussortiert. Wer dann eingestellt wird und die für die angehenden Fluglotsen kostenlose Ausbildung besteht, hat eine Anstellungsgarantie und einen wirklich sehr gut bezahlten, aber auch sehr anspruchsvollen Job. Aber auch für alle weiteren Ausbildungs- und Studiengänge in unserem breiten Portfolio gilt in gleicher Weise, dass wir sehr attraktiv sind. Interessierte sind am 13. Mai zum "Recruiting Day" wieder herzlich zum Schnuppern bei der DFS eingeladen."
Info-Kasten "DFS auf einen Blick":
Aktuell 5616 Beschäftigte gesamt, davon 2200 Fluglotsen. 15 Towerstandorte an den internationalen Flughäfen in Deutschland. Vier Kontrollzentralen: Bremen, Karlsruhe, Langen und München. Die DFS sorgt für einen sicheren und pünktlichen Flugverlauf bei in Spitzenjahren mehr als drei Millionen Flügen durch den deutschen Luftraum und täglich bis zu 10.000 Flügen im deutschen Luftraum. Seit Gründung im Jahr 1993 ist die DFS (im Gegensatz zur Vorgängerin, der Bundesanstalt für Flugsicherung) als GmbH privatisiert, gehört aber zu 100 % dem Bund. In der Fachlichkeit untersteht sie dem Bundesverkehrsministerium. Weitere Informationen im Internet unter der Adresse
www.dfs.de . (goa) +++
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