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Chiara Hahn ist mit ihrem Profi-Traum noch lange nicht am Ende
24.04.23 - Sie hat bereits einen unglaublich beeindruckenden Weg hinter sich, und man ahnt es schnell im Gespräch mit ihr: die Reise zum Fußballprofi-Olymp soll noch weitergehen. Die Lauterbacherin Chiara Hahn, die seit Anfang des Jahres bei Werder Bremen in der Frauen-Fußball-Bundesliga unter Vertrag ist, weiß genau, was sie langfristig will: "Mein Traum-Ziel ist die Nationalmannschaft!".
Im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS blickt die 21-jährige Mittelfeldspielerin zurück. Schon mit vier Jahren hat sie mit Fußballspielen angefangen. Die ersten Vereinsstationen waren die JSG Lauter/Maar/Heblos/Wallenrod und der JFV Alsfeld/Bechtelsberg, bevor sie mit 16 zum 1. FFC Frankfurt wechselte. Dort spielte sie fünf Jahre, inklusive der letzten Halbsaison nach der Fusion mit der Eintracht und gab hier auch ihr Debüt in der Bundesliga gegen Freiburg. Sie verrät: "Natürlich war ich sehr aufgeregt, aber das Team hat mir sehr geholfen. Und es hat sich toll angefühlt"!
Im Januar 2021 ging sie für zwei Jahre nach Florida, um dort ein Business-Management-Studium auf dem College mit dem Fußball zu kombinieren. "Ich war in Tampa an der University of South Florida, gespielt habe ich bei den South Florida Bulls. Man findet dort einfach ideale Bedingungen für die Kombination von Studium und Fußball vor, die Trainingsplätze sind direkt neben den College-Gebäuden. Ich hatte erfahren, dass in den USA Athletik und Kraft im Vordergrund stehen, und das habe ich für meine Entwicklung gesucht." Chiara ist sehr zielstrebig und klar strukturiert, selbst die "nicht so optimalen Englisch-Kenntnisse" waren für sie kein Hinderungsgrund, ganz allein diesen von vornherein befristeten Schritt nach Übersee zu gehen. "Das war eine super Erfahrung, die sich auf jeden Fall gelohnt hat. Ich habe mich in den beiden Jahren sportlich weiterentwickelt und bin als Persönlichkeit gereift." Und das Studium setzt sie, zurück in Deutschland, natürlich auch fort.
Von Florida nach Bremen
Eine neue Heimat hat sie in Bremen gefunden, wo sie im Januar eine Woche nach ihrem 21. Geburtstag einen Vertrag unterschrieb und nun für Werder im Abstiegskampf auf Tor- und Punktejagd geht – mit der Rückennummer "21". "Werder hatte ich schon während der USA-Zeit im Hinterkopf", sagt sie. Im Sommer trainierte sie während der Semesterferien drei Monate in Bremen mit, den Tipp hatte ihr der Trainer der Werder-Bundesligafrauen gegeben. Dort sei sie toll aufgenommen worden und sie hatte auch sofort das Vertrauen des Trainers. "Es war ein klasse Start für mich, wir haben einen starken Teamzusammenhalt und ich fühle mich hier sehr wohl!" Sofort drei Spiele über 90 Minuten und dabei sehr gute Leistungen – so freuten sich Chiara und das Team auf das Heimspiel gegen ihren ehemaligen Verein Eintracht Frankfurt.Doch dann erwischte sie kurz vorher eine Grippe: "Das hat mich ganz schön umgehauen", sagt sie. Nach behutsamem Einstieg ins Training absolvierte sie am gestrigen Sonntag im wichtigen Abstiegsduell zu Hause gegen den Drittletzten Meppen ihr erstes Spiel – ebenfalls wieder über 90 Minuten. Ein Kopfball und ein Schuss von ihr aus elf Metern kurz vor Spielende fanden leider nicht den Weg ins Tor. Das Spiel endete 0:0 – Werder und Chiara haben damit vier Spieltage vor Saisonende vier Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze. Ihr kurzfristiges Ziel, der Klassenerhalt, sollte erreicht werden: "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das schaffen werden!"
Das sagt ihr Trainer
Werder-Frauen-Trainer Thomas Horsch hält bereits große Stücke auf den Neuzugang: "Ich bin sehr froh, dass Chiara in der Winterpause nach Bremen gekommen ist! Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase hatte sie sofort mit guten Leistungen ihren Anteil an unseren positiven Ergebnissen nach der Winterpause. Sie passt als Typ und als entwicklungsfähige Spielerin sehr gut in unser Konzept. Eine intensive Spielweise und der Zug zum Tor zeichnen sie aus!"
Ihre Ziele
"Mittelfristig will ich hier so richtig Fuß fassen im Team!" Zur längerfristigen Wunsch-Perspektive macht sie unmissverständlich eine glasklare Ansage: "Ich will ich in die Nationalmannschaft." Man muss wissen: Chiara hat seit dem 15. Lebensjahr bereits alle U-Nationalmannschaften des DFB durchlaufen. Zu ihrer Zielstrebigkeit sei gesagt: "Mein Traum war schon als Kind, in der 1. Liga Fußball zu spielen." Man darf also guten Mutes sein, dass da noch was gehen wird.Alte Heimat, neue Heimat? Ihre Familie hat ihre Entscheidungen alle voll akzeptiert, auch den Gang zu Werder. "Wir halten engen Kontakt und ich bin recht oft in der Heimat, die Zugverbindung nach Fulda ist ja zum Glück gut. Bremen ist eigentlich meine neue Heimat, aber nach Lauterbach zu kommen zur Familie, unserem Hund und den Freunden, das ist schon etwas ganz Besonderes.
Drei Fragen, drei Antworten: Lauterbacher Strolch oder Bremer Stadtmusikanten? – "Lauterbacher Strolch!". Vogelsberger Käse, Oberhessische Wurst oder Bremer Fischbrötchen? "Fisch ist nicht so meins, also eindeutig Oberhessische Wurst!" Hoherodskopf oder Nordseestrand? "Nordseestrand!"
Das sagen die Eltern
Eine Karriere, die in der Kindheit beginnt und in den Profisport führt, ist immer mit einer intensiven Unterstützung durch das Umfeld verbunden. Chiara weist darauf hin, dass die ganze Familie hinter ihr stand. Wir haben bei Mama Nadine Kranz und Papa Udo Hahn nachgefragt, wie sie auf "Chiris" Weg zurückblicken."Natürlich waren und sind sowohl wir Eltern als auch unsere Lebenspartner sehr stolz auf Chiara. Durch ihr Talent und ihren Trainingsfleiß konnte sie sich einen Internatsplatz in Frankfurt und die Möglichkeit beim FFC Frankfurt Juniorinnen-Bundesliga zu spielen, sichern. Das Angebot eines Stipendiums in den USA sowie den Schritt in die Frauen Bundesliga hat sie sich mit Disziplin und Ehrgeiz erkämpft. Mittlerweile wird ja auch viel über sie in den Medien berichtet, das erfüllt uns auch mit Stolz und teilweise noch Gänsehaut. Als es sie in die USA verschlagen hat, da waren auch eine gehörige Portion Respekt, Bedenken und Abschiedsschmerz dabei." Mama Nadine und ihr Mann Martin waren dann aber sehr beeindruckt, als sie Chiara in Florida besuchten: "Die Bedingungen dort waren absolut vorbildlich. Wir waren sprachlos!"
Chiara wird von den Eltern als sehr ehrgeizig und zielstrebig beschrieben, schon von den Anfängen her. "Wenn das Training mal ausfiel, kamen ihr die Tränen vor Enttäuschung. In ihrer "Karriere" hatte sie wirklich eine Menge sehr guter Trainer, die in unterschiedlichen Entwicklungsphasen hervorragende Arbeit geleistet haben. Regelmäßig stand Chiara jeden Tag, außer donnerstags, auf dem Platz: Vereinstraining, Stützpunkt-Training, Hessen-Auswahl oder Spiele. Ein unvergleichlicher Moment war für uns alle, als Chiara im Dezember 2016 ihr erstes Länderspiel in Brüssel hatte und speziell, als die Nationalhymne gespielt wurde – dies wird uns unvergessen bleiben!"
Warum Werder Bremen?
Die Familie war in die Entscheidung zugunsten von Bremen einbezogen. "Die Bedingungen in Werder Bremen sind schon professionell, insbesondere ist das Umfeld dort sehr familiär und nicht so anonym. Bremen hat sich sehr um Chiara bemüht, die Gespräche im Vorfeld waren offen, herzlich und ehrlich. Der Verein hat uns auch bei der Wohnungssuche sehr unterstützt, so dass sich Chiara auch im Hohen Norden wohlfühlt. Ausschlaggebend für Werder Bremen war tatsächlich das "Gesamtpaket", das uns und vor allem Chiri überzeugt hat. Wichtig war für sie, dass sie Einsatzzeiten in der Bundesliga bekommt und trotz allem ein familiäres Umfeld genießen kann."Günter Stiebig, Trainer am DFB-Stützpunkt Alsfeld, erinnert sich: "Chiri", wie sie von allen gerufen wurde, trat am 1.8.2013 in das Talentförderprogramm des DFB-Stützpunktes in Alsfeld ein. Hier wurde sie von Jan Krätschmer, Gerhard Stein und mir trainiert. Ihre Lernbereitschaft und ihr Lernwille waren schon damals ein wesentlicher Faktor für ihren späteren Werdegang. Immer wissbegierig, aufmerksam und sehr diszipliniert ging sie jede Trainingseinheit an. So entwickelte sie sich stetig weiter und wurde auch in ihrem Verein, dem JFV Alsfeld, zu einer festen Größe im Team. Da sie immer mit Jungs trainierte und auch im Wettbewerb spielte, lernte sie schnell die nötige Wettkampfhärte und das Durchsetzungsvermögen im Zweikampf. Ihre freundliche und zuvorkommende Art auch außerhalb des Platzes spiegelt ihre gesamte Persönlichkeit wider. Im Sommer 2016 schied Chiara dann am Stützpunkt aus, da sie sich dem FFC Frankfurt angeschlossen hatte und in das dortige Internat wechselte. Bei ihren Heimatbesuchen in Lauterbach kam es danach auch immer mal wieder zu zufälligen Begegnungen auf den heimischen Sportplätzen und man tauschte sich über ihre aktuellen Erfahrungen aus. Alles in allem ein damals tolles Mädchen und nun eine tolle Frau mit einer erfolgreichen Entwicklung in allen Bereichen!"
Übrigens: Das Thema Fußball werden wir in einem der beiden nächsten Portraits in dieser Serie erneut aufgreifen. Dann mit den Komponenten "Eintracht" und "männlich". (goa) +++