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Damals war alles etwas anders: Sentimentale Rückschau auf die LGS 1994
26.04.23 - Im Rückblick ist es ein herrlicher Sommer gewesen, der des Jahres 1994. Die Sonne strahlte beinahe ununterbrochen über Stadt und Land - beste äußere Rahmenbedingungen für die Großveranstaltungen, die Fulda zu jener Zeit in den Fokus weit über Hessen hinaus stellten. Nicht nur die Jubiläumsfeiern zur Erinnerung an die Klostergründung 744 zogen Besuchermassen an, sondern insbesondere auch die 1. Hessische Landesgartenschau (LGS).
Wenn ich mich heute, wenige Stunden vor Eröffnung der inzwischen 7. blühenden Großveranstaltung, an die LGS-Premiere 1994 erinnere, dann muss ich konstatieren, dass damals alles etwas anders gewesen ist. Ich bin versucht zu sagen: bodenständiger, natürlicher und ohne so manches ausufernde Element.
Eine Atmosphäre des Aufbruchs
Die Vergangenheit verklärt vieles. Doch auch ohne den nostalgisch-wehmütigen Blick auf jene Tage zwischen dem 29. April und 3. Oktober 1994 bleibt festzuhalten, dass diese Zeit getragen worden ist von einem Hauch Pioniergeist. Diese Atmosphäre freilich hatte sich schon vier Jahre zuvor ausgebreitet, als in Fulda Hessentag gefeiert wurde und wenige Monate zuvor die deutsch-deutsche Grenze geöffnet worden war. Überall in den Straßen pulsierte das Leben, die Menschen waren erwartungsfroh und neugierig - und genau diese Atmosphäre des Aufbruchs kennzeichnete auch die Tage der LGS 1994.
Dabei hatte Joschka Fischer (grüner Umweltminister im Kabinett von SPD-Ministerpräsident Hans Eichel) im Vorfeld die Messlatte für Fulda hochgelegt: Wie (und ob) es mit den Landesgartenschauen weitergehe, "wird entscheidend davon abhängen, was jetzt Fulda daraus macht. Und wie Fulda, auch was das Stadtgrün betrifft, den ästhetischen mit dem ökologisch/naturschützerischen Gesichtspunkt zusammenführt". So der stellvertretende hessische Regierungschef damals im Gespräch mit der Fuldaer Zeitung am Rande einer Klausurtagung der Grünen in Fulda.
Die Bürger aber ließen die Verwaltungsspitze mit dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Hamberger, Bürgermeister Josef H. Mayer und Stadtbaurat Dr. Wolfgang Gehrke nicht im Stich und schufen in einer tollen Gemeinschaftsaktion Bleibendes - wovon auch noch die anstehende LGS profitiert.
Per Handschlag besiegelt
1994 lautete der zutreffende Titel "Fulda, der Garten Hessens", und wie sich Hamberger 2019 im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS erinnerte, "hatten wir das schon lange geplant und uns bei Landesgartenschauen in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen Anregungen geholt. Klar war, dass wir ein naturzugewandtes Konzept verwirklichen wollten." Das Projekt wäre fast gescheitert, weil Wiesbaden keinen Etat zur Verfügung stellen wollte. Und jetzt kommt wieder der grüne Umweltminister ins Spiel: "Denn erst als wir das Umweltzentrum in das Konzept miteingebaut haben, hat uns Joschka Fischer grünes Licht gegeben – per Handschlag."Rückblickend muss ich - damals redaktionell tätig für die lokale Tageszeitung - an das beinah' kindliche (Er)staunen denken, mit dem viele Besucher der LGS begegneten. 1,2 Millionen waren es im Endeffekt gewesen, von denen viele die zukunftsweisenden Ideen lobten. Maßgeblich verantwortlich hierfür waren Volker Strauch, damaliger Geschäftsstellenleiter der LGS, und Geschäftsführer Jürgen Patscha.
Erinnert sei nur an das Umweltzentrum, an das Naherholungsgebiet zwischen Wiesenmühle und Umweltzentrum, an den Wasserspielplatz an der Tränke, an die Umgestaltungsarbeiten im Schlossgarten (!), an die wieder hergestellte Minigolfanlage oder auch an die Bilderrahmen, die eifrig für Privatfotos genutzt wurden und noch heute gerne genutzt werden. Im Sinne des dezentralen Ausstellungskonzepts, das große Teile der Stadt einbezog, wurden unter anderem auch der Domdechaneigarten und der Alte Friedhof am Fuß des Frauenbergs umgestaltet, der Dahliengarten als grüne Oase entstand neu.
Unbürokratisch und unspektakulär
Noch ein Vorteil: Die Bürger wurden von Anfang an aktiv in die stets transparente Planung einbezogen, alles lief unbürokratisch und unspektakulär ab. O|N-Fotograf Martin Engel erinnert sich an ein treffliches Beispiel: "Wir alle kennen doch die schöne Auenwiese zwischen Wiesenmühle und Liebesbrücke (die mit den Schlössern). Das ganze Gebiet dazwischen war mit etwa 3,5 Hektar eine geradezu furchtbare Wildnis mit illegalen Bretterverschlägen und wilden Gärten mit Müll und Unrat. Da kam die Stadt auf mich zu und sagte: Wir lassen das Betriebsamt den ganzen oberirdischen Müll abräumen, du ebnest mit Deiner Scheibenegge alles ein, wirfst etwas Grassamen drauf und wir haben eine tolle Auenwiese. Dies ist kurzerhand geschehen, und so nutze ich die Wiese heute noch."
Eben ganz im Sinne des 1994 ausgegebenen Mottos einer in die Zukunft orientierten Landesgartenschau. Und dann - am Ende - blickten alle glücklich und zufrieden auf sechs Monate zurück, die für viele wie eine blühende Open-Air-Party gewesen waren. (Bertram Lenz) +++