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Robust wie ein Lanz: Alte Traktoren zeigen Modernisierung der Landwirtschaft
27.06.22 - Auf der Aktionsfläche Schauplatz vor dem Schloss Fasanerie wurden am Sonntag bei vielen Besuchern Jugenderinnerungen wach: Lanz, Deutz, Porsche und Fendt fuhren auf - alte Traktoren, die auch von der Modernisierung der Landwirtschaft zeugen. Sammler wie Gustav Günther und Herbert Klingenberger erwecken die alten Schätze zum Leben.
Wenn Günther mit seinem Lanz HL 12 die Allee herunterfährt, ist ihm die Aufmerksamkeit der Zuschauer sicher: Der Traktor aus 1921 schafft nur sechs Kilometer pro Stunde und zwölf Pferdestärken - aber das ist schon wesentlich mehr als ein Zugtier: "Wir sehen hier ein Zeugnis der Technisierung der Landwirtschaft - die Ablösung der Dampfmaschine quasi. Erschwinglich für den normalen Landwirt wurden selbst kleine Traktoren erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs - dann waren sie aber eine wesentliche Erleichterung des Arbeitsalltags, gerade im Vergleich zur beschwerlichen Arbeit mit dem Kuh- oder Pferdegespann", erklärt Günther, der gerne im Internet nach neuen alten Schätzen Ausschau hält.
Der Traktorsammler als solcher hat oft, aber nicht immer einen landwirtschaftlichen Hintergrund, ist im fortgeschrittenen Alter und kennt seine Schätzchen in- und auswendig: "Ersatzteile sind schwer zu beschaffen - und man kann nicht wegen jeder Schraube jemanden holen müssen, Kreativität ist nötig. Für Pumpenventile gehe ich trotzdem zu lokalen Werkzeug- und Maschinenbauern, da muss es schon millimetergenau passen", so Günther. Im Gegensatz zu Briefmarken und anderen Sammlerstücken gehen die Oldtimer-Traktoren häufig von Besitzer zu Besitzer, ohne Zwischenhändler: "Viele wollen, dass ihr Schmuckstück in die richtigen Hände kommt. Das gilt weltweit" - Günther zeigt auf einen Lanz Bulldog 9516 aus dem Jahr 1951 mit 48 Pferdestärken. In Australien hat er ihn gekauft und Stück für Stück in Kohlhaus wieder aufgearbeitet.
Andere Exponate geben Einblicke in die jüngste Wirtschaftsgeschichte: Sammler Herbert Klingenberger aus Harmerz hat einen seltenen Orenstein & Koppel T18a aus dem Jahr 1951 wieder hergerichtet. Der hat eine Besonderheit: "Die Firma Orenstein & Koppel aus Köln hat ursprünglich Bagger und Hublader produziert, hat aber nach dem Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern einen großen Auftrag bekommen: 500 Traktoren mit großem Mähwerk, die vor allem fürs Mähen von Flugplätzen eingesetzt wurden und auf amerikanischen Basen in ganz Deutschland verteilt wurden. Unter anderem in Sickels, Bad Hersfeld und Hanau", erklärt Klingenberger. Der Einzylinder macht beim Fahren richtig Krach, aber die Funktionalität ging vor.
Im Internet sind Günther und Klingenberger immer auf der Suche nach neuen Schätzchen - vor wenigen Jahrzehnten waren Sammlertreffen und Mundpropaganda die einzige Möglichkeit, die eigene Sammlung zu erweitern: "Der Verein 'Ackerkralle' in Limburg war einer der ersten, auch mit einem richtigen Oldtimer-Bewusstsein. Das Bewahren von Tradition und Kultur in dieser rustikalen Form liegt im Trend. In Holland ist die Szene sehr stark vertreten - und am Oldtimertraktorsammeln geht die Inflation vorbei: Die Traktoren steigen im Wert", so Klingenberger. (mau) +++