Simply-Red-Heroe Mick Hucknall rockt noch immer - trotz seines Alters. - Archivfoto: ON/Carina Jirsch

REGION Echt jetzt! (17)

Hello Again - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller

19.07.24 - Wie alt sind Sie eigentlich? Oder, um was Wichtigeres zu fragen: Wie alt fühlen Sie sich? Das macht nämlich einen gewaltigen Unterschied. Sport-Profis (wie jene, denen wir gerade beim Kicken zugeschaut haben) sind bereits mit 35 reif fürs Altenteil. 12-Jährige schmieren sich Anti-Aging-Salben ins Gesicht, weil sie glauben, sie könnten dadurch dem Faltenwurf der späten Jahre entgehen. Und dann sind da zum Beispiel die ziemlich alten Rocker, von denen etliche auch in Fulda gern Station machen. Wie überstehen diese Super-Oldies Zwei-Stunden-Auftritte, ohne dass die Stimmbänder reißen oder eine Hexe ins Kreuz fährt? Können wir was lernen von den Dinos des Rock’n‘Roll?

Simply-Red-Heroe Mick Hucknall Archivfoto: ON/Carina Jirsch

Zucchero Archivfoto: ON/goa

Vor 50 Jahren, 1974, belustigte sich der nuschelnde Deutsch-Rocker Udo Lindenberg über "Grethe Weiser am Syntheziser". Inzwischen ist er selbst 78, tritt immer noch auf und verzückt sein Publikum mit sentimentalen Songs über die Endzeit des Lebens. Davon ist der Simply-Red-Heroe Mick Hucknall – in Deutschland stünde er kurz vorm Eintritt in die gesetzliche Rente – noch weit entfernt. Im vergangenen Sommer stand der immer noch leicht gammelige Rocker vor dem Fuldaer Dom und grüßte die Buddhistin Tina Turner hoch oben im Himmel; sie war ein paar Wochen zuvor gestorben. Als das Konzert seinen Fortgang nahm, schwärmte der offenkundig durstige Brite immer häufiger davon, dass er sich gleich einen guten Rotwein gönnen werde. Das Altwerden beschäftigt ihn nicht weiter, nur bei seinen roten Haarlocken hilft er nach: "Ich heiße Simply Red, nicht Simply Gray."

Auch der Großvater des Italo-Blues, Zucchero, 68, der vor einer Woche auf dem Domplatz abging wie auf einer italienischen Fiesta, sieht keinen wesentlichen Grund, sich der Alterung entgegenzustemmen. Als er 60 wurde, behauptete er: "Ich fühle mich wie 45!" Sportübungen? Nein, nein, auf keinen Fall – "Mick Jagger geht ins Fitness-Studio, ich definitiv nicht." Der Sänger der Rolling-Stones ist bereits 80 und sah schon vor zwanzig Jahren mitunter aus, als sei er mit dem Gesicht voran in ein Wespennest gefallen. Aber fit ist er, fitter als der unwesentlich ältere Joe Biden in seinen besten Zeiten. Vermutlich rennt Jagger nicht mehr, wie früher, bei jedem Konzert 19 Kilometer über die Bühne, aber er bleibt im Training: Laufen, Radfahren, Kickboxen, Yoga, Pilates, Gewichte stemmen, Ballett... "Ich mach mich nicht verrückt", hat er der "Vogue" erzählt. Guter Witz!

Die Rock-Rentner geben keine Ruhe

Früher galt: mit 40 sind die Bühnen-Stars reif fürs Altenteil. Heute wissen wir: Auch mit 70 oder 80 geben die Rock-Rentner immer noch keine Ruhe; zur Not humpeln sie halt ans Mikrofon. Vielleicht sollte man manche Jugendwahn-Prophetin des Internets zur Besichtigung der Musik-Legenden verpflichten – für etliche Baby-Influencerinnen ist das Altwerden nämlich die größte Ungerechtigkeit des Lebens. Sie leiten ihre superjunge Kundschaft dazu an, sich bereits im zartesten Alter gegen die drohende Endzeit zu stemmen. Wer will schon aussehen wie Jagger? Perfekte weiche Haut und ein "Erdbeer-Teint" sind angesagt, und dazu wird mächtig auf die Tube gedrückt: Feuchtigkeits-Cremes, Hyaluron-Masken, Concealer zum Abdecken von Fältchen und Hautrötungen, Retinol- und andere Anti-Aging-Salben und sogar chemische Peelings werden den 12-Jährigen aufgeschwätzt. Hautärzte sind alarmiert über den um sich greifenden Teenie-Trend zur Haut-Verjüngung. Das wird die Mädels kaum abhalten. Durch ihre Hautputz-Orgien wollen die Creme-Kids lebenslange Faltenfreiheit erlangen.

Mit solchem Blödsinn haben die alten Rocker nichts am Hut, die haben andere Probleme. Wie schaffen sie Auftritte, bei denen wir Normalos bereits nach 15 Minuten japsend in der Ecke säßen? "Singen ist Muskelarbeit. Ich könnte diesen Job nicht mehr machen, wenn ich nicht fit wäre", sagt Sting (72), der am Samstag vor dem Dom auftritt. Der Mann schwimmt angeblich jeden Tag und macht seit 30 Jahren Yoga. Das, sagt er, bedeute alles für ihn, "hinsetzen, atmen, aufsetzen, Disziplin, ein Gefühl für Körper und Geist bekommen". Und, nützt es was? "Den Alterungsprozess", gesteht er, "habe ich trotzdem nicht umkehren können."

Tom Jones Archivfoto: ON/Carina Jirsch

Vor zwei Jahren stand auch Tom Jones (heute 84) auf der Fulda-Bühne. Er beschäftigt einen Personal-Trainer, mit dem er regelmäßig boxt. Vor allem aber schwört er auf die "Inversions-Therapie" – der betagte Herr hängt sich regelmäßig kopfüber auf, wie eine schlafende Fledermaus, um Muskeln, Rücken und Gelenke zu entlasten. In Fulda gab er den berühmtesten seiner Knaller-Hits zum Besten, "Sex-Bomb". Das ist ein Song, bei dem heutigen Sängern wegen des Mangels an politischer Korrektheit Erstickungsanfälle drohen. Aber damals, vor über zwei Jahrzehnten, regnete es Damen-Slips auf die Bühne. Als Tom Jones in die Jahre kam, rief er die weiblichen Fans dazu auf, ihn nicht länger mit ihren Schlüpfern zu bewerfen; das sei "beleidigend". Das hinderte eine betagte Enthusiastin in Fulda nicht daran, ihm ein Stück Unterwäsche vor die Füße segeln zu lassen. Tom Jones nahm’s gelassen. "Sorry", sagte er, "ich kann mich nicht mehr bücken".

Vor 40 Jahren hat Howard Carpendale seinen vermutlich berühmtesten Song veröffentlicht, "Hello Again". Darum wird er auch heute Abend in Fulda kaum herumkommen, selbst Ahnungslose können den Refrain mitsingen. Zur Sicherheit hier der Text: "Uh uh uh, uuh, ich sag nur hello again. Uh uh uh, Uuh." Howie, wie seine Fans ihn nennen, ist 78 – aber wieso mischt der Gigant des deutschen Schlagers sich hier unter die alten Rocker? Weil der Südafrikaner, ganz tief drinnen, selbst einer ist. Angefangen hat er in seiner Heimat als Elvis-Imitator und Pop-Rocker, aber der Schlager war irgendwie einträglicher. Außerdem haben wir von dem Sport-Fan (früher Rugby, heute Golf) den herrlichsten Tipp für Gleichaltrige gehört: "Ich dehne mich täglich. Menschen über 70 sollten sich täglich dehnen. Das ist ganz, ganz wichtig, um aufrechter zu gehen." Und noch eine Empfehlung: "So lange man jünger ist als der Papst, geht alles!" Danke, Howie.

Rainer M. Gefeller schreibt für OSTHESSENlNEWS. Grafik: O|N

So sieht’s aus. Haben die alten Rocker uns was beibringen können? Was sollen wir tun? Uns wie Fledermäuse aufhängen? Yoga? Boxen? Ballett? Schwimmen? Oder wollen wir uns doch lieber an Mick Jaggers Band-Kumpel Keith Richards (80) orientieren? Der lehnt jedwede Fitnessübung ab, hat er dem "Mojo-Magazin" erzählt: "Ich stehe auf. Ummm. Und, weißt du, dann setze ich mich wieder hin. Ich mag es nicht, sinnlos herumzutrotten." (Rainer M. Gefeller) +++

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