So sieht sie aus, die Landkarte der Abstammung - Aufnahme: Webseite von „MyHeritage“

REGION Echt jetzt! (40)

Sind Sie reif für die Remigration? Bemerkungen von Rainer M. Gefeller

17.01.25 - So, aha, sagt die Frau: "Ich habe also einen Polen geheiratet." Wie sie das sagt! Mag sie etwa die Osteuropäer nicht? Natürlich ist mir bewusst, dass Italiener bei vielen deutschen Frauen höher im Kurs stehen als die östlichen Nachbarn. Na und? Tatsache ist: ich habe meine DNA testen lassen. Und danach fließt zu über 50 Prozent polnisches, ungarisches oder rumänisches Blut in meinen Adern. Die Engländer haben sich freilich auch in mir verewigt, außerdem Skandinavier und Balten. Von Italienern keine Spur. Das aktuelle Unwort des Jahres ("Biodeutscher") kann ich schon mal in die Tonne treten. Was nun? Ob die Migrations-Expertin Alice Weidel helfen kann?

Gen-Test in Fulda: ein Päckchen mit Test-Röhrchen aus dem DNA-Labor. ...Fotos: Annemaria Gefeller

Geben wir ein wenig Spucke in ein Reagenzglas und schicken die Mundprobe an ein Labor. Schon finden wir uns in einer ganz anderen Welt wieder. Aktuell haben sich auf meiner Webseite über 5.000 neue entfernte Verwandte versammelt. 900 davon leben in den USA, 840 in Deutschland, 300 auf der britischen Insel, 270 in den Niederlanden... Das weiß ich, weil ich bei "My Heritage", neben "Ancestry" eines der zwei großen Gentest-Unternehmen in Deutschland, meine DNA testen ließ. Für 48 Euro habe ich jetzt gelernt, dass zu 55 Prozent osteuropäische DNA in mir festgestellt wurden (polnische zum Beispiel, tschechische, ungarische, rumänische, sogar österreichische). 28,8 Prozent der gemessenen DNA soll englisch, 10,3 Prozent norwegisch oder schwedisch, 5,9 Prozent lettisch oder litauisch sein.

Darf man den Angaben überhaupt trauen? Wissenschaftler sind skeptisch. Eines jedenfalls offenbaren die Tests: dass in uns ein Gen-Mix lebt, der jede Rassenlehre ziemlich blöd erscheinen lässt. Zu 99,5 Prozent ist die DNA aller menschlichen Erdbewohner sowieso identisch – egal ob sie braun, gelb, rot, weiß oder schwarz aussehen, groß oder klein sind, dick oder dünn. Nur 0,5 Prozent markieren den genetischen Unterschied, darin spiegelt sich auch die DNA unserer Vorfahren und damit die Geschichte der Migration. Wer kann schon ahnen, wer alles sein Erbgut in uns verpflanzt hat? In Europa und dem Rest der Welt wanderten die Völker und Armeen hin und her und hinterließen uns ihr genetisches Erbe. Die Reiter-Armeen der Hunnen, die im fünften Jahrhundert unter ihrem Herrscher Attila die Goten und andere osteuropäische Stämme vertrieben, gelten als eine Art Urknall der Völkerwanderungen.

Was Gen-Forscher nicht alles in uns entdeckt haben. DNA von Afrikanern, von asiatischen Eindringlingen und osteuropäischen Flüchtlingen. Selbst der vor 40.000 Jahren ausgestorbene Neandertaler hat sich im modernen Menschen verewigt – weil die Ur-Menschen und die Neandis mit der flachen Stirn die Finger nicht voneinander lassen konnten. Neandertaler-Gene sind nach dem Urteil der Forscher gar nicht so übel: sie sind für den Fettabbau zuständig und für die Stärkung unseres Immunsystems. Die Biologin Janet Kelso weiß zudem: "Wir können jetzt zeigen, dass besonders der Hautton, die Leichtigkeit, mit der man bräunt, sowie die Haarfarbe von Neandertaler-DNA beeinflusst wird."

Jetzt zu Ihnen, Frau Weidel; guten Tag. Oder sollte man Sie gleich als Große Führerin ansprechen? Peinlich wäre Ihnen das vermutlich nicht, obwohl... Nachdem Sie den einzigen Führer, den’s bei uns mal gab (Adolf Hitler) feierlich zum Kommunisten erklärt haben, wollen Sie vielleicht auf Abstand bleiben zu dem alten Ober-Nazi – so schmerzhaft das auch für einige aus Ihrer Partei sein mag. Auf Ihrem Krönungs-Parteitag haben Sie alle Zweifler niedergeredet, die an Ihrer Machtergreifung zweifeln. Dann wäre was los bei uns! Weg mit dem Klimaschutz. Weg mit den Windrädern. Weg mit den Professoren, die sich in Sachen Gender-Forschung hervorgetan haben. Weg mit den roten, schwarzen, grünen und gelben Politikern. Weg mit den Migranten. Das Zauberwort der AfD, das es 2024 bereits zum Unwort des Jahres gebracht hat, heißt Remigration.

Darf ich zaghaft fragen: Sind Sie denn auch wirklich bereit? Angesichts meiner persönlichen DNA-Enthüllungen möchte ich einfach wissen: Wo kann man denn seinen Antrag auf Remigration stellen? Und was ist mit Ihnen? Dürften Sie als Schweizer Wohn-Bürgerin überhaupt hierbleiben, wenn Sie Ihre "Ausländer Raus"-Politik erstmal in Angriff nehmen könnten? Ein Vorschlag: Alle AfD-Migrations-Experten müssen zum Gen-Test. Außer Ihnen natürlich auch Beatrix von Storch, Björn Höcke und Tino Chrupalla, um mal einige zu nennen. Es ist zu vermuten, dass Ihr Wurzel-Germanentum dann zügig verwelkt. Wer weiß, wie viel Afrika zum Beispiel in Ihnen steckt? Vielleicht sollten die DNA-Ergebnisse auf Ihren Socialmedia-Kanälen und speziell bei Ihrem Kumpel Elon Musk verbreitet werden. Das wäre eine Freude im Sinne der Völkerverständigung. Und es wäre auch gut für das Land unserer Mütter und Väter. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, hat im letzten Herbst davor gewarnt, dass sich bereits jetzt viel zu viele Menschen davonmachten: 300.000 "Deutschstämmige" im Jahr, eine Million Zugewanderte. Das sei eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit unserer Wirtschaft.

Aber wohin soll man denn remigrieren, wenn uns das Unvorstellbare ereilen sollte? Machen wir uns mal mit den Möglichkeiten vertraut. Auf nach Polen? Grandiose Landschaften! Die Menschen sind streng gläubig. Der Namenstag ist wichtiger als der Geburtstag. Gastfreundlich sind die Polen und herzlich. Familienmenschen. Feiern gern. Und die Pierogi schmecken einfach sensationell. Oder doch lieber zu den Engländern? Coole Musik. Schreckliches Essen. Haben Fair Play erfunden. Ein Fußball-verrrücktes Volk! Die berühmte Tea Time. Blasse Menschen – wenn die Sonne mal scheint, ist der Teint ruckzuck verbrannt.

Trockener Humor, nasses Klima; in der Londoner U-Bahn werden jedes Jahr 75.000 Regenschirme liegengelassen.

Oder doch lieber nach Skandinavien? "Friluftsliv" nennen die Norweger ihren Hang, so oft wie möglich im Freien zu leben. Am 21. Juni bleibt es auch nachts hell, am 21. Dezember bleibt es auch tagsüber dunkel. Meeresgetier wird häufig gefuttert, besonders gern "Klippfisk", getrockneter und gesalzener Kabeljau. Fast alle fahren E-Autos. Die Fjorde, die Wikinger, pünktlicher Feierabend, zum Saufen geht’s gern auf die Fähren. Ein Glas norwegisches Dünn-Bier kostet an Land neun Euro. Mindestens.

Typisch schwedisch: Abba. Ikea. Köttbullar. Und das kulinarische Highlight Surströmming (stinkender vergorener Hering aus der Dose). Die Schweden sind zurückhaltend, aber auch hilfsbereit. Man duzt sich. Man hat viel Platz: Gut 22 Menschen pro Quadratkilometer – in Deutschland sind’s 226. Das Abstinenzler-Land ist einer der größten Vodka-Produzenten der Welt. Und tatsächlich: Die Schweden haben häufiger als andere Völker blonde Haare und blaue Augen.

Andererseits können wir natürlich auf die DNA pfeifen; in uns herrscht sowieso genetisches Durcheinander. Ach ja, Italien! Da herrscht noch Tradition, da herrscht noch La Mamma. Mögen Ehemann und Söhne noch so großartig auftreten – vor der wahren Herrscherin wird gekuscht. 40 Prozent der italienischen Männer leben auch nach ihrer Hochzeit maximal einen Kilometer von der Mutter entfernt. Der Italiener ist elegant, trägt selten kurze Hosen. Hält sich ungern an Verkehrsregeln. Mafia! Pizza! Pasta! Mittelmeer! Vino! Außerdem sollen die italienischen Ragazzi wahre Amore-Künstler sein. Davon verstehen wir hier natürlich nichts!

Eigentlich leben wir allerdings gern hier. In Fulda waren Ende 2024 1.271 Rumänen, 1.304 Ukrainer, 566 Polen, 371 Italiener, und 252 Ungarn gemeldet, außerdem Amerikaner, Türken, Spanier, Russen, Vietnamesen, Griechen... Das ist ja eine wildere Mischung, als unsere Vorfahren in uns angerichtet haben. Was sollen wir da woanders? Im letzten Sommer haben 10.000 Menschen auf dem Universitäts-Platz für eine weltoffene Stadt demonstriert. Schüler, Studenten, Hausfrauen, Handwerker, Oldies – der Bischof, der Oberbürgermeister und der Landrat waren auch dabei. Da haben die Hiesigen gezeigt, was in ihnen steckt: ein Herz für alle, die gern hier leben. Diese Menschenaufläufe gegen Ausländer-Hass und Remigration gab’s damals überall in Deutschland. Ein Demonstrant spottete: "Auch Nazis essen Döner!" Guten Appetit. (Rainer M. Gefeller) +++

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