Keine Angst, der beißt nicht - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller
30.08.24 - Wozu braucht man eigentlich einen Hund? Stellen Sie diese Frage mal einem Hunde-Skeptiker, die Antworten kommen schneller als ein Säugetier pupen kann: Die fressen einem die Haare vom Kopf. Sie haben Flöhe, Zecken, Haarausfall. Sie riechen nicht gut, bellen und beißen. Sind zu blöd, die sanitären Einrichtungen zu benutzen. Und man kann gar nicht mehr nach Malle fliegen, wenn man gerade Lust darauf hat. Was soll ich sagen: Stimmt alles. Aber haben wir da was von Liebe, Zuneigung, Treue gelesen, vom geduldigen Ertragen unserer Macken – und davon, dass sie auch dann da sind, wenn man eigentlich alleine ist? Hören wir doch einfach auf Johnny Depp: "Die einzigen Geschöpfe, die weit genug entwickelt sind, um reine Liebe auszudrücken, sind Hunde und Kleinkinder."
Neulich im Fuldaer Schlossgarten: Der Hund geifert und reißt an der Leine und zeigt seine Zähne, als wäre er ein Piranha auf vier Pfoten. Das Tier ist kleiner als ein Handbügeleisen, aber offenkundig größenwahnsinnig. "Keine Angst, der macht nichts", keucht das Frauchen am hinteren Ende der Leine – und zack, hat die giftige Töle schon zugeschnappt. Der Angegriffene tritt reflexartig zu, dass die Angeber-Hyäne für einen Moment Ruhe gibt. "Das hat er noch nie gemacht", sagt Frauchen vorwurfsvoll. Natürlich, der Attackierte ist schuld. Kann vorkommen bei unseren Spaziergängen. Hoffentlich hat der Kurze sich beim heldenhaften Angriff auf meine Jeans keine Zähne ausgebissen!
Die meisten Deutschen lieben Hunde. "Gib den Menschen einen Hund und seine Seele wird gesund", wusste schon Hildegard von Bingen (1098 bis 1179). Die Königin der Naturheilkunde muss es ja wissen. Treu sind die meistens freundlichen Schwanzwedler, rennen gern umher, schlafen viel, kuscheln gern, beschützen uns – und sind gehorsam bis zur Selbstaufgabe. Aldous Huxley hat das zu der höhnischen Einschätzung verleitet: "Für seinen Hund ist jeder ein Napoleon. Deshalb sind Hunde so beliebt."
Einmal Napoleon sein, das will freilich auch jeder Hanswurst (falls er von dem großen Franzosen schon mal was gehört hat). Irgendwann haben Schäferhunde den Hanswürsten dieser Republik nicht mehr genügt – war es nicht viel effektiver, die braven Bürger mit Hilfe von Kampfhunden in Angst und Schrecken zu versetzen? Sie führten ihre sklavisch ergebenen Beiß-Maschinen durch die Straßen und genossen es, wenn alle ihnen Platz machten. Sie trainierten die Beiß- und Reiß-Kraft ihrer Hunde mit Autoreifen und Stahlketten, auf Schrottplätzen und in Parks (wie der damals berüchtigten Hasenheide in Berlin). Grobe Sprüche machten die Runde: "Was hat vier Beine und einen Arm? Ein glücklicher Pitbull..."
Dann kam der 26. Juni 2000, Hamburg-Wilhelmsburg. Auf dem Schulhof einer Grundschule wurde der sechsjährige Volkan von zwei scharf dressierten Kampfhunden totgebissen. Da beschloss die Gesellschaft, die Hundebesitzer zu dressieren. Überall gab es plötzlich Kampfhunde-Verordnungen, Herrchen und ihre "erlaubnispflichtigen Hunde" wurden Charakter- und Wesens-Tests unterzogen, zur "Gefahrenabwehr". 2021 gab es in Hessen laut Mitteilung des Innenministeriums noch 1145 American Staffordshire Terrier, 335 Pitbulls und 629 Rottweiler. Wenn deren Herrchen friedliebend sind, passiert schon nichts...
In der Hitliste der beliebtesten Hunde tauchen die Kraftprotze sowieso nicht auf. Platz 5: der pfiffige Jack Russel Terrier. Vorsicht: der schlaue Jäger gibt niemals Ruhe. Aber freundlich ist er schon. Platz 4: Mister und Missis Gutmütig – Golden Retriever. Verspielter Familienhund. Platz 3: Chihuahua. Kleinste Hunderasse der Welt, gibt aber an wie ein Sack Sülze. Abstehende Ohren, Quell-Augen, wird gern als Schoßhund genommen. Platz 2: die plattschnauzige Französische Bulldogge. Ein friedlicher Zwerg mit Fledermausohren und kräftigen Muskeln. Platz 1: der Labrador – ein echtes Familienmitglied. Gutmütig, friedfertig, geduldig. Wird ungefähr einen halben Meter hoch und liebt das Wasser. Leider wird nach jedem Spaziergang die Wohnung nass.
"Entscheidend ist, was hinten rauskommt" hat Helmut Kohl 1984 über seinen Regierungsstil offenbart. Sie merken schon, wir nähern uns von hinten durch die kalte Küche einem echten Sch...-Thema. Zehn Millionen Hunde gibt es in Deutschland. Die produzieren Tag für Tag 20 Millionen Hundehaufen. Zur Entsorgung kommen hunderte Millionen Kot-Beutel zum Einsatz (aus unverrottbarem Plastik, versteht sich). Die Süddeutsche Zeitung hat bereits 2017 gefragt: "Was ist schlimmer: Hundekot oder Hundekotbeutel?" Danke für diese Frage. 20 Prozent der Tüten finden laut Stadtreinigung Wilhelmshaven nicht den Weg in eine Mülltonne – sie werden in der Natur entsorgt, in Hecken geworfen, an Zäune gebunden. Das ist in der Region Fulda nicht anders als im deutschen Norden oder in Berlin. In der Hauptstadt sind Hundekotbeseitigungsfahrzeuge im Einsatz – und polizeiliche Kontrolleure: Hundebesitzer, die keinen Kotbeutel dabeihaben, werden zur Kasse gebeten.
In Neapel, London, Tel Aviv und Valencia nehmen Kot-Detektive DNA-Proben von Hunden und Haufen – bei Übereinstimmungen müssen die Halter zahlen. Im südfranzösischen Béziers müssen Hundehalter einen genetischen Ausweis ihrer Vierbeiner dabeihaben. In Wiesbaden zahlt man 100 Euro für jeden nicht entfernten Hundehaufen, in Frankfurt nur fünf. Dafür droht den Besitzerinnen und Besitzern von Wiederholungs-Scheißern in der Main-Metropole ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro. In der Fuldaer Innenstadt braucht man keine Fäkalien-Stasi: Im Schlossgarten, am Frauenberg und in den Flussauen der Stadt sind Frauchen und Herrchen offenkundig auf Reinlichkeit bedacht, jedenfalls die große Mehrheit. Bravo!
Aber wehe, es geht raus aufs Land. Da lassen Hundebesitzer nicht nur ihren Tieren, sondern auch deren Verdauungs-Organen gern freien Lauf. Hinweisschilder von empörten Landwirten ("Hier wächst Ihr Essen!") werden achselzuckend ignoriert. Ein bisschen mehr Respekt würde vielleicht schon helfen. Und auch eine bessere Ausstattung mit Abfallkörben. In der gesamten Fuldaer Johannisaue steht ein Müllbehälter, an den meisten Spazier- und Wanderwegen findet man gar keinen. Soll der hiesige Freizeit-Walker etwa die gefüllten Tüten über Kilometer mit sich tragen?
Witze versteht bekanntlich jeder. In Goslar haben Bauern die hündischen Hinterlassenschaften am Wegesrand mit bunten Fähnchen gespickt: "Haufen sucht Herrchen!" Am Trätzhof hatte ein listiger Landwirt unlängst Spaziergänger zu einer Art Hundehaufen-Yoga ermuntert: den Schmutz anpeilen, Knie und Rücken beugen, Kothaufen aufheben – fertig ist die Übung. Schont die Natur und ist gesund!
Ach je, das stinkt ja zum Himmel. Fällt uns zu Hunden echt nichts Schöneres ein? Aber ja doch: Wie wär’s mit Marilyn Monroe? Die Monroe liebte Hunde, ihr letzter war ein Malteser-Terrier namens Maf, die Kurzform für Mafia Honey. Dieses "Mafia-Schätzchen" hat ihr Frank Sinatra geschenkt – der stand selbst unter Verdacht, der Lieblings-Sänger der Cosa Nostra zu sein. Maf war ein kleiner "Gesellschaftshund" mit meistens ungekämmtem, weißem Haar. Im Unterschied zu Sinatra durfte das Zamperl stets und immer auf Frau Monroes Schoß Platz nehmen. Die schöne Frau (1926 bis 1962), der die Berühmten und Mächtigen ihrer Zeit nachgeierten (und die meisten Normalos auch), hatte Vier- und Zweibeiner durchschaut: "Hunde beißen mich nicht. Es sind die Menschen." Zack, der hat gesessen, Frankieboy! (Rainer M. Gefeller) +++