Hallo, Bauzaun - du bist ja immer noch da - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller
26.07.24 - Der Bauzaun steht immer im Weg. Dort, wo man gerade lang will, macht er sich breit und hoch, eine Scheußlichkeit aus verzinktem Drahtgitter; seine "Bauzaunfüße" sind unverrückbar, weil meistens aus Beton. In Fulda hat man derzeit gelegentlich den Eindruck, man sei von Bauzaun-Batterien umzingelt. Ein Glück, dass man wenigstens hindurchschauen kann. Da kann man beobachten, was sich hinter der Absperrung tut. Häufig sieht man... leider nichts!
An sich ist solch ein Bauzaun ja eine feine Sache. In prosperierenden Städten ist die mobile "Einfriedung" ein Beleg dafür, dass dahinter Aufbruchstimmung herrscht: Wenn Wohnhäuser, Schulen, Kindergärten, Spielplätze oder Boule-Bahnen entstehen – immer ist erstmal der Bauzaun zur Stelle. Die Corona-Jahre allerdings waren seinem Image eher abträglich. Im Dezember 2021 registrierte der Berliner Historiker René Schlott, der Bauzaun sei zur "Allzweckwaffe deutscher Ordnungspolitik" verkommen. Mancherorts begnügten sich humanistische Stadtgewaltige damit, Spielplätze, Parkbänke und andere Treffpunkte mit rot-weißem Flatterband zu umzingeln, um die Bevölkerung abzuschrecken. Anderswo musste der Bauzaun ran: Parkbänke und Klettergeräte wurden martialisch umzäunt, so dass da sowieso niemand mehr verweilen wollte.
"Symbol des Scheiterns" Der Pandemie-Bauzaun, urteilte der Historiker Schlott, sei ein "Symbol des Scheiterns", denn: "Genauso wie jede von Menschen errichtete Mauer irgendwann gefallen ist, so ist auch noch jeder Zaun durchtrennt worden." Das war ziemlich prophetisch von diesem Mann. Im Oktober 2023, keine drei Wochen nach dem Ende der Landesgartenschau (LGS) in Fulda, haben Menschen an fünf Stellen den Zaun am Aueweiher geknackt, "teilweise unter Einsatz von entsprechendem Werkzeug", wurde berichtet. Die Eindringlinge konnten’s wohl nicht erwarten, sich im dortigen "Wassergarten" zu tummeln.
Jetzt, fast weitere neun Monate später, ist der Weg immer noch nicht vollständig frei – allen Verheißungen zum Trotz. "Bis Jahresende, vielleicht im Januar", versprachen die Gartenschau-Chefs im Oktober 2023, solle das gesamte Gelände wieder zugänglich sein. Mitte März machte LGS das Hochwasser verantwortlich für Verzögerungen und beklagte "massive Anfeindungen". Bis Ende April "könnte" alles geöffnet sein. War’s aber nicht. Inzwischen können die Fuldaer sich zwar endlich der Magie dieser berückend schönen und anheimelnden Wasser-Idylle hingeben – aber rund um die "Auenterrasse" ist immer noch Sperrgebiet. Das kann auch noch dauern, "für die zeitliche Umsetzung der letzten Maßnahmen", gibt die LGS Anfang Juni bekannt, könne "derzeit keine konkrete Aussage getroffen werden". Die Fuldaer hören es mit wachsendem Missvergnügen.
Bauzäune am Aueweiher Spaziergänger sind freiheitsliebende Menschen. Für viele von ihnen ist der Weg das Ziel, versperrte Pfade sind ihnen ein Graus. Ist Fulda nicht eigentlich ein Paradies-Ort für Flaneure? Egal, machen wir das Beste draus: auf zur Bauzaun-Safari. Am "Aueweiher" und drumherum sind noch einige schräggestellte Prachtexemplare zu bewundern, zum Beispiel am Sportplatz oder auf dem Weg zur Frankfurter Straße. Aber die aufwändigsten Ausstellungsstücke erwarten uns hinterm Stadtschloss.
Vergessen wir mal die ebenso vollmundigen wie falschen Versprechungen über die Fristen zur Fertigstellung des prachtvollen Barock-Parks im vorderen Schlossgarten. Da blüht uns inzwischen was Schönes; beinahe ist man geneigt, knurrend einzuräumen: Das Warten hat sich gelohnt. Aber kürzlich wurde den Menschen der Zugang plötzlich wieder verwehrt – weil niemand sich den Klang-Genuss der Domplatz-Konzerte gönnen sollte, ohne dafür zu bezahlen. Das war ein echter Provinz-Witz, denn rund ums Festival-Gelände hockten die Gratis-Lauscher stattdessen auf Hockern, Treppen, Mäuerchen und hatten ihren Spaß. Ich hab’s ihnen gegönnt!
Bauzäune im Schlosspark Zurück zum Thema. Es zieht uns die Stufen zur Stadtschloss-Ebene aufwärts – und wo landen wir? Vor einem Bauzaun. Dahinter sieht’s aus wie bei Hempels unterm Sofa. Ein paar Baugeräte röhren vor sich hin; sollte hier nicht längst alles blühen, sollten hier nicht längst die Besucher Schlange stehen, um sich per Aufzug zum Dach des neuen Fuldaer Wahrzeichens hinaufbeamen zu lassen?
Seit 2016 ist der Schlossturm gesperrt; drinnen soll es ausgesehen haben wie in einer Tropfsteinhöhle. Die Sanierung war mithin unausweichlich. Die Arbeiten an altem Gemäuer und neuer Technik, laut Finanzplan 4,8 Millionen Euro teuer, zogen sich hin, wurden aber von Baustadtrat Daniel Schreiner mit frohsinnigen Kommentaren begleitet. Im Oktober 2022 war er voll der Hoffnung, "dass der Turm während der laufenden Gartenschau vollendet sein wird". Im Januar 2024 verkündet Schreiner etwas wolkig: "Das Äußerliche ist schneller fertig, als viele Menschen glauben". Im Frühjahr verheißt Herr Schreiner die Fertigstellung "bis zum Spätsommer". Da haben wir ja noch Zeit. Immerhin: der Aufzug ist inzwischen montiert. Was fehlt?
Ach ja, die Kappe. Mit Hilfe eines 15 Meter hohen Stahl-Gebildes soll der 47,68 Meter hohe Schlossturm ganz groß rauskommen. "Stadtbildprägend" wie einst in der Renaissance werde er sein, schwärmt der Stadtbaurat, für einen bescheidenen Aufpreis von 600.000 Euro. Die Finanz-Nörgler vom Bund der Steuerzahler halten das für "unnötig": 200 Jahre lang sei der Turm ohne Dach ausgekommen. Die Stadt-Gesellschaft belustigt sich; einer empfiehlt, den reichlich herumkackenden Tauben dort oben eine Heimstatt einzurichten. Die Karnevalisten widmen ihren Rosenmontagsorden der Bau-Klamotte, was den humoristisch begabten Baurat in den Enthusiasmus treibt: "Die Fuldaer lieben den Turm!" Er jedenfalls sei "total happy".
Schön. Warten wir mal, dann sehen wir’s ja, ob der aufgebrezelte Turm zur Krönung der Fuldaer Skyline taugt. Das Modell der "Stadtkrone" erinnert übrigens stark an die Kopfkratzer, die es überall für ein paar Euro zu kaufen gibt. Mit deren Hilfe soll man Migräne- und andere Kopfschmerz-Attacken wegmassieren können. Sowas macht doch Sinn, wenn einen das Hirn juckt.
Vor dem Bauzaun auf der "Kaiserterrasse" stehen Bänke, mit dem Rücken zur Absperrung und freiem Blick auf die Schönheiten der Stadt. Eine Bank ist als "Frauenort" gekennzeichnet, mit dem schönen Leitspruch "Frei im Geiste". Drehen wir die Bank doch einfach um, schauen durch den Zaun auf das Gerümpel und stellen uns vor, was da kommen wird. Frühestens Mitte August, hören wir, soll der Turm gekrönt werden. Dann ist der Stadtbaurat nämlich aus dem Urlaub zurück und kann die Einhaltung der Termine überwachen. Gefeiert wird angeblich nicht. Echt schade! Tanz um den Bauzaun wäre doch ein feines Party-Motto.
Zum Schluss ein Trost: Falls Sie die Bauzäune doch arg ins Herz geschlossen haben sollten – keine Bange! Niemand hat die Absicht, alle Zäune flachzulegen. Am Fuße des Turms muss die Erde aufgewühlt, müssen Rohre verlegt werden, bevor es dort richtig losbarockt. Nichts ist schöner als das Warten auf die Bescherung! (Rainer M. Gefeller) +++