Künzeller Dackel-Parade. - Fotos: Michael Otto.

REGION Echt jetzt! (63)

Wuff und Weg - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller

27.06.25 - Wo kommt ihr denn auf einmal wieder hergedackelt, ihr Wurst-Hunde? So nennt man euch doch in England: "Sausage Dog." Aber selbst dort, im Königreich der Sonderlinge, wart ihr sowas von out! Spießig, hinterwäldlerisch, gestrig. Und plötzlich sieht man euch wieder, wie ihr an jeder zweiten Straßenecke die kurzen Beinchen hebt: Der Dackel ist der Trend-Setter der Saison. Er hat das Glück des kleinen Männleins, für solche Miniaturen glühen die Herzen der neuzeitlichen Frauchen und Herrlein. Sind ja auch wirklich zu süüüß. Aber lassen wir uns nicht täuschen: Nicht nur die größenwahnsinnigen Dackel, sondern auch viele andere kleinwüchsige Genossen können ganz schön giftig werden. Huch, was machen wir bloß, wenn unser Zamperl plötzlich beißt? Da gibt’s nur eins: Der Hund muss auf die Couch. Und Herrchen vielleicht auch?

Bemerkungen von Rainer M. Gefeller Foto: O|N/Montage

Bevor es hier zu bissig wird, freuen wir uns lieber über die Rückkehr unserer Rauh-, Kurz- und Langhaardackel. Niemand hat uns bislang erklären können, wie diese muskulösen und manchmal auch verfetteten Kämpfer von ihren vier kurzen Beinchen getragen werden können. Ein Wunder der Hundwerdung! Der Dackel gilt als schwer erziehbarer, aber liebenswerter "Respektverweigerer", stur, eigensinnig, ausdauernd, jagdeifrig. Er neigt (wie manche andere Winzlinge) zur Selbstüberschätzung. Haus und Familie werden erbarmungslos verteidigt. Ob die "Spießertöle" deshalb bei so vielen Promis Einzug gehalten hat? Lumpi bei Picasso, Archibald bei Andy Warhol, Victor bei Heidi Klum, Stanley und Boogie bei David Hockney, Erdmann bei Kaiser Wilhelm, Undine bei Pierre Briece, Bodo bei "Hausmeister Krause" (Tom Gerhardt). Und Fienchen bei Jürgen Drews. Über sich selbst urteilt der einstige Ballermann-König so: "Ich bin ja nichts anderes als ein bellender Hund."

Im vergangenen Oktober äußerte sich Will Cooper, Vize-Präsident des New Yorker Luxus-Kaufhauses Saks, ultra-entzückt über einen neuen Modetrend – die Dackel-Tasche: "die neueste, frischeste Taschenform seit drei oder vier Jahren." Nahezu jeder will mitbellen in diesem Geschäft der Mini-Taschen im langgezogenen Dackel-Format. Alaia, "Le Teckel Bag", 2.700 Dollar. Khaite, "Simona", 2.100 Dollar. Prada, Ledertasche in Denim-Farbe, 2.850 Dollar. Tory Burch, Marschmallow-Täschchen in Kokosnuss-Schale, 698 Dollar. Jil Sander, "Goji Pillow", 2.790 Dollar. Ein Smartphone, eine Brille und ein Handy finden Platz darin. Vielleicht auch der kleinste Hund der Welt? Dazu kommen wir noch.

Französische Bulldogge. Fotos: Mylene und GLady für Pixabay.

Im letzten September haben 1.175 Dackel in der Innenstadt von Regensburg ein Gebell angestimmt, dass die gesamte Stadt dröhnte. Die Leinenhalter waren gewandet wie bei einer Oktoberfest-Demonstration: manche Herren trugen Gamslederhosen, etliche Damen Jagdkostüme oder Dirndl. Fesch! Aber es ging um eine ernste Sache: Gerade jetzt, da die Dackel im Aufschwung waren, wollten Politiker deren Zucht untersagen – weil die Hunde wegen ihres elend langen Wurstkörpers auf den kurzen Stummel-Beinchen so häufig von Wirbelsäulen-Problemen geplagt würden. Lag das nicht eher an der Verfressenheit der Tiere und der Nachgiebigkeit ihrer Besitzer? Wer schmilzt nicht dahin beim Blick in die treuherzigen Dackelaugen? Und wie kommt es bloß, dass dieser zähe Jäger, der schon im Mittelalter Dachs und Fuchs den Garaus gemacht hat, plötzlich ein Zivilisationsopfer sein soll? Wie steht es denn um die Gesundheit der anderen Bonsai-Hunde?

Zorniger Schäferhund. Foto: Josh Plueger für Wikimedia

Yorkshire-Terrier. Foto: WildHearted für Pixabay.

Klein trifft groß: Yorkshire-Terrier mit Dobermann. Foto: Yama für Pixabay.

Schauen Sie, da vorne wuselt wieder einer dieser winzigen Weißlinge – kaum größer als schnee-farbene Nike-Sneaker. Beim Spaziergang über die alten Friedhöfe in Fulda muss man schon mal Obacht geben, dass man nicht versehentlich auf einen der Miniatur-Hunde tritt. Die scheinen plötzlich hinter jedem Busch und jedem Grabstein herumzuschnüffeln. Woher kommt bloß plötzlich der Hang zum Zwerg-Hund?

Der beliebteste von ihnen ist die Französische Bulldogge. Klingt gefährlicher, als sie ist, weswegen sie den Spitznamen "Spielzeug-Bulldogge" trägt, Toy Bulldog. Der kleine Drömmel hat einen eckigen Kopf, platte Schnauze und einen Stummelschwanz, der mit dem gesamten Hintern wedelt. Der Bully ist der Moppel unter den Zwergen, bis zu 35 Zentimeter hoch und 14 Kilo schwer. Der kleinste normale Hund der Welt hingegen ist ein Mexikaner, der Chihuahua. Maximal drei Kilo schwer, hervorquellende Augen, abstehende Ohren. Der Kleine ist immer auf dem Sprung und gilt als "sehr mutig". Sein britischer Kumpel, der Yorkshire-Terrier, wird auch nur 3,2 Kilo schwer und hat’s heute leichter als früher, am Ende des 19. Jahrhunderts. Damals wurde der Putzi in den Armenvierteln der Grafschaft Yorkshire gezüchtet, um Jagd auf Mäuse und Ratten zu machen. Tapfer genug ist er ja, der Zwerg mit dem dünnen Haar – selbst harte Kampfhunde greift er unerschrocken an. Wenn er Pech hat, nur ein einziges Mal...

Kleine Hunde brauchen weniger Platz und weniger Futter als große, und sie produzieren weniger Mist. Die Minis können zwar auch ganz schön laut werden, aber meistens sind sie äußerst anhänglich und schmusebereit und lassen sich geduldig Zöpfe drehen oder lustige Mäntelchen anziehen. Also führen sie ein Leben wie bei Hofe – wie damals, im Mittelalter, als der Schoßhund das Prestige-Objekt der feinen Damen war. Was für ein Weg: Vom Fürsten-Lumpi zum (freilich nicht ganz billigen) Volks-Vierbeiner. Die Kleinen sind kaum größer als ein Meerschweinchen; was kann man mit ihnen anstellen? Fürs Joggen zu langsam, fürs Herbeischleppen von Ästen zu winzig, für die Kaninchen-Jagd zu wenig Ausdauer. Aber man kann ihnen beim Rumtrippeln zuschauen und sich amüsieren, wenn sie auf allen Vieren hüpfen wie ein Flummy. Und abends, wenn Herrchen sich’s vorm Fernseher ungemütlich macht, sitzen sie vor Dir und sagen: Schau mir in die Augen, Großer. Nimm die Fernbedienung und knips sie alle weg, den Trump, den Putin, die Ayatollahs und die israelischen Kriegsbetreiber – du hast doch mich, Kumpel. Das muss reichen!

Irgendwann ist irgendwem eingefallen, dass man die Bonsai-Hunde noch weiter schrumpfen kann. Man nehme die mickrigsten Exemplare aus den bekannten Kleinhund-Rassen zur Zucht – und schon entstehen Geschöpfe, deren winzige Körper die großen Köpfe kaum tragen können. Klein, kleiner, Paris Hiltons Hund. Ja, ist gar nicht lange her, da war die Hotel-Erbin, von Beruf "Medienpersönlichkeit", auf ihrem Lieblings-Kanal Instagram nur noch mit einem Mikro-Wesen zu sehen. Das Tierchen hing erschöpft auf Schulter oder Schoß von Miss Blondie. 20 Zentimeter groß (höchstens!), häufig leichter als ein Kilo, Gattungsname: Teacup-Dog, Teetassen-Hund. Wie gemacht fürs kleine Handtäschchen. Ob’s den armen Kreaturen nicht schlecht wird, wenn Frauchen das arme Ding elegant herumschlenkert? Solche Tiere kauft Mensch online. Ein deutscher Händler preist sie an wie auf dem Hamburger Fischmarkt: "an Sweetness nicht zu überbieten", "cooler Rockstar", "für Allergiker geeignet", "verlieren keine Haare". Und so weiter. "Echte Teacup Maltipoo, selten und exklusiv" gibt’s schon für 5.500 Euro. Da muss man doch einfach zugreifen. Nein, muss man nicht. Tierschützer, Biologen, Veterinäre warnen vor den Qualzucht-Babys. Viele "leiden ein Leben lang", weil in den kleinen Körpern vieles nicht zusammenpasst: der Kopf, die Augen, das Gehirn sind viel zu groß, die Knochen zu dünn, die Innereien zu anfällig. Die meisten von ihnen müssen per Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden. Haste das gewusst, Paris Hilton? Sei froh, dass Du Deine armen Tierchen nicht bei uns spazieren trägst. Wir würden Dir was erzählen!

Chihuahua. Foto: a-mblomma für Pixabay.

Paris Hilton mit ihrem Teacup Hündchen "Tinkerbell". Foto: Hilton/Instagram

Große Hunde haben manchmal einen Nachteil: Sie können beißen, dass es schmerzt. Ein paar Beispiele gefällig? Tatort Alter Friedhof in Fulda: "Du bist ja ein Feiner", lobt Herrchen seinen dunkelbraunen Jagdhund-Verschnitt. Der scheint ihm, in vier Metern Entfernung, aufmerksam zu lauschen. "Brav", sagt Herrchen noch und: "Dafür gibt’s gleich ein Leckerli." Aber das hört die Töle schon nicht mehr: Rumms rast sie los, das Maul aufgerissen, wie wir’s noch aus dem "Weißen Hai" in Erinnerung haben. 30 Kilo Lebendgewicht reißen dem entsetzten Herrchen fast den Arm ab. Hund geifert, Herrchen brüllt. Gut, dass die Leine hält... Tatort Auepark: Da vorne kommt ein Hund entgegen, angeleint. Schon in 30 Metern Entfernung zischelt das nervöse Herrchen seinem Beagle zu: "Pass auf. Bleib ruhig! Mach kein‘ Scheiß!" Pfeifendeckel. Unversehens greift der als sanftmütig definierte Beagle an, zähnefletschend und keuchend. Was nun, Herrchen? Der verzweifelte Mann zieht die Notbremse, indem er sich einfach auf seinen Hund fallen lässt und ihn irgendwie würgt. "Du Sauhund", hören wir noch, und: "Das machst du nicht nochmal!" Tatort Adolphseck: Mann mit Hund betritt den Biergarten – schon rast ein apokalyptisch wirkendes Kampfgeschwader auf ihn zu. Ein Köter, außer sich vor Wut, verbeißt sich ruckartig in den verschreckten, jaulenden Neuankömmling. Mit der Leine des Angreifers sind noch zwei kläffende Dackel verknotet; die schleift der Aggressor mühelos hinter sich her. Im Biergarten sitzen die Menschen schreckensstarr. Als alles vorüber ist, eilt Frauchen vom Kinderspielplatz herbei.

Viele Hundebesitzer, warnt der Deutsche Tierschutzbund (DTB), "haben mit Verhaltensproblemen wie Bellen, Winseln, Aggression zu kämpfen". "Beißvorfälle mit Hunden" seien einer der Hauptgründe dafür, dass Vierbeiner in überfüllten Heimen landen. "Wuff und Weg", der Hund wird entsorgt wie eine Jeans, die leider zwei Nummern zu eng ist. Tierschützer meinen, Problem-Tiere müssten "an einem Gehorsamkeitskurs teilnehmen". Ab zum Hunde-Psycho. Und was ist mit Herrchen und Frauchen? Wäre da nicht auch mitunter ein Tauglichkeits-Test angebracht? Bei den "normalen" Minis wahrscheinlich nicht. Haben Sie mal erlebt, wenn die zum Angriff übergehen? Da haben Frauchen und Herrchen leichtes Spiel: einfach die Leine hochziehen und die drei Kilo Aggro-Masse in der Luft zappeln lassen. Das versuchen Sie mal mit einer Dogge.

Jetzt wollen wir mal entspannen, hier gibt‘s Musik zum Mitbellen.

Baha Men, "Who Let The Dogs Out": https://www.youtube.com/watch?v=ojULkWEUsPs.
The Byrds, "Old Blue": https://www.youtube.com/watch?v=jbuQDqnMebk.
The Beatles, "Martha My Dear": https://www.youtube.com/watch?v=RXawa90YU2s.
Lobo, "Me and you and a dog named Boo": https://www.youtube.com/watch?v=_6lgsH-z1pc.
Johnny Cash, "Dirty Old Egg Sucking Dog": https://www.youtube.com/watch?v=vYNK8A_bXwA.
John Hiatt, "My Dog & Me": https://www.youtube.com/watch?v=nDKzxZfqZR8.
Elvis Presley, "Old Shep": https://www.youtube.com/watch?v=GB2GZlILQ_A.
Rolf Zuckowski, "Lied vom Hund": https://www.youtube.com/watch?v=-ZxHgI2hsr0&t=74s
(Rainer M. Gefeller) +++

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