

Wir sind alle Grönländer - Bemerkungen von Rainer M. Gefeller
04.04.25 - Haben Sie bemerkt, wie die Augen der neuen Herren von Washington manchmal blitzen? Nichts lässt amerikanische Herzen höherschlagen als die Aussicht auf Deals. Der ganze Globus bettelt doch geradezu darum, von Donald Trump und seinen Getreuen abgeerntet zu werden. Was da alles zu holen ist! Seltene Erden in der Ukraine. Aber-Milliarden an Einfuhrzöllen für alles, was die US-Grenzen überschreitet. Der gesamte Gaza-Streifen ein einziges Strand-Hotel. Her mit Grönland und Kanada! Vielleicht stehen die amerikanischen Deal-Master irgendwann, wenn der Panama-Kanal tatsächlich ihnen gehören sollte, am Kanalufer und singen den depperten deutschen Militär-Gassenhauer: "Wir haben den Kanal noch lange nicht voll." Na gut, dealen wir halt mit. Vor allem aber heuern wir für Friedrich Merz den besten Golftrainer der Welt an. Schon sind wir bereit.
Als in den 70ern ein in Fulda angesiedelter GI mit dem Allerweltsnamen Mike seiner verzückten Frau die sonnengeflutete Rhön nahebringen wollte, breitete er die Arme aus und sprach: "That’s Nature, Kate". Ja, so sieht echte Natur aus; sowas hat die Welt noch nicht gesehen. Aber keine Bange, die Berge werden die neuen Amis uns kaum abhandeln wollen. Aber Amerika braucht doch dringend unser spritziges Mineralwasser. Und Fleisch von unseren Rhönschafen (davon hat sogar Napoleon geschwärmt). Oder den original Desietra-Kaviar – ein echter Luxus ohne den üblen Beigeschmack von Putin. Unser Dom wäre den Dealern von drüben vielleicht eine Spur zu wuchtig. Aber den könnte man doch prima nachbauen, vielleicht ein bisschen farbenfroher als diesen beigefarbenen Sakralbau. Zum Beispiel in der Kleinstadt Fulda in Minnesota. Den 1.333 Einwohnern dort wird echt nicht viel geboten – da wäre ein knallbunter Disney-Dom die größtmögliche Attraktion. Trump ist den US-Fuldaern auch was schuldig, über 64 Prozent haben ihn dort schließlich gewählt!
Was haben wir Deutschen den Amis zu bieten?
Aber genug herumgealbert. Was haben wir Deutschen den Amis zu bieten, damit wir uns weiter als ihre Kumpels fühlen dürfen? Braunkohle vielleicht – davon liegen noch 35.000 Millionen Tonnen in germanischer Erde. Salz, Steine, Kalk und Ton "in rauen Mengen" zählt die Hans-Böckler-Stiftung außerdem auf. Und natürlich Zölle, Zölle, Zölle. Aber können wir damit die amerikanischen Kaufleute betören? Seien wir auf der Hut, echte Dealer sind nimmersatt. Und schließlich ist ganz Amerika auf Deals gebaut.Was haben die Amis sich nicht alles einverleibt, meistens ohne einen einzigen Schuss abzugeben! 1803 ging’s schon los, da gönnte sich Amerika die damalige französische Kolonie Louisiana, für 15 Millionen Dollar. US-Präsident Thomas Jefferson hatte es vor allem auf den Hafen von New Orleans abgesehen – aber das gewaltige Stück Land, das bei diesem Deal inklusive war, reichte vom Golf von Mexiko bis nach Kanada. Durch den größten Grundstücksdeal der Geschichte wurden die Vereinigten Staaten mit einem Schlag doppelt so groß wie zuvor. Danach folgten noch ein paar Schnäppchen: 1819 luchsten die Amis den Spaniern Florida für fünf Millionen Dollar ab. Ein Spottpreis! Als Donald Trump 1985 sein in den 20er Jahren für 200 Millionen Dollar gebautes Florida-Heim kaufte, war wohl gerade Schlussverkauf: er zahlte für den Protz-Palast Mar-a-Lago in Palm Beach (118 Zimmer auf 10.000 Quadratmetern) ebenfalls nur fünf Millionen. 1848 musste Mexiko 55 Prozent seines Staatsgebietes an die USA abtreten – Kalifornien, Utah, Nevada, New Mexico sowie die größten Teile von Arizona und Colorado. Die Amerikaner zahlten dafür bescheidene 20 Millionen Dollar. 1867 Alaska: die Russen verkauften das 1,6 Millionen Quadratkilometer große Land für 7,2 Millionen Dollar. Virgin Islands (Jungferninseln), die damals noch Danish West Indies hießen, wurden 1917 für 25 Millionen Dollar den Dänen abgekauft. Was wären die Vereinigten Staaten bloß wert, ohne diesen ständigen Hang zum Rum-Dealen?
Jetzt also Grönland. Immobilien-Experten haben schon mal errechnet, was man für die größte Insel der Welt auf dem freien Markt zahlen müsste: zwischen 12,5 und 77 Milliarden Dollar. Wegen der strategischen Lage. Und wegen seiner Bodenschätze. Schon 1946 wollte Harry S. Truman das kalte, steinige Land kaufen und bot Dänemark 100 Millionen Dollar. Vergebens. Und wenn die Dänen dabei bleiben und auch heute nicht verkaufen wollen? Trump hat vorsorglich schon mal mit Militär gedroht. Auf einen Flugzeugträger der US-Marine passen über 6.000 Soldaten – das ist ein Zehntel der grönländischen Bevölkerung (gut 56.000). Wenn solch ein Monsterkahn in den Hafen von Nuuk einläuft, liegen die malerischen Holzhäuser der Hauptstadt im Schatten. Das möge der Rest der Welt verhindern! Für echte Dealer sind wir doch alle irgendwie grönländisch.
Die Geländegewinne von einst haben offenkundig die Sehnsucht nach dem Imperialismus vergangener Zeiten geweckt. War das nicht schön, als man sich alles unter den Nagel reißen konnte, wo noch keine fremde Fahne wehte? Briten, Spanier, Franzosen, Portugiesen teilten sich die Welt; die etwas behäbigen Deutschen schnappten sich, was übrigblieb. Alles gehörte den weißen Herren – das Land, das Vieh, das Gold, die Gewürze, die Menschen. Wer sich nicht wehrte, wurde massakriert oder jedenfalls in Ketten gelegt. "Wenn es mal regnete, und es begegnete, ihnen ne neue Rasse, ne braune oder blasse, dann machten sie vielleicht daraus ihr Beefsteak Tartar." So beschreibt Bert Brecht in seinem "Kanonensong" (Dreigroschenoper) die Geisteshaltung der damaligen Eindringlinge. Sind die heutigen imperialen Herren wieder genauso unterwegs?
Laden wir doch den Abgesandten Vance in seiner lindgrünen wetterfesten Eroberer-Joppe zu uns ein und testen, ob der Mann überhaupt verhandlungsfähig ist. Dazu muss er erstmal den osthessischen Härtetest für Feinschmecker bestehen. Wir füllen ihn ab mit Bauernbrot, fingerdick mit Kochkäse beschmiert. Sodann Flurgönder (gesottener Schwartemagen auf Bandnudeln). Dazu sauren frischen Apfelwein, bis der ungeübte Magen-Darm-Trakt rebelliert. Zur Entlastung vielleicht noch einen Kräuterlikör von Aha? Wetten, dass der Gast aus Fern-West danach nicht mehr Papp sagen kann? Ein schöner Moment, um ihm ein paar Deals abzuluchsen. Helmut Kohl hat diese kulinarische Verhandlungs-Taktik früher auch beherrscht, Gäste mussten ran an den nahen Verwandten unseres Schwartemagens, den pfälzischen Saumagen. Als Spülmittel diente literweise Pfälzer Wein. Den französischen Präsidenten Francois Mitterand bedrohte er scherzhaft: "Aufessen, sonst kriegst du das Saarland nie zurück."
Die wahre Prüfung allerdings ist der Herr im Weißen Haus. "Dass Friedrich Merz Golf spielt, ist mit Bezug auf Trump ein Vorteil", sagt der in Ungnade gefallene einstige Sicherheitsberater von Trump, John Bolton, in der "Zeit". Der "Stern" allerdings äußerte sich vor der Bundestagswahl besorgt: Der künftige Kanzler spiele zwar "passabel", soll aber "in einem Formtief" stecken. Wegen Wahlkampf und Regierungsbildung kommt er halt kaum noch zum Trainieren.
Donald Trump hingegen ist ein besessener Golfspieler. Das beschert uns eine kleine Ruhepause. Während der Woche klatscht er der Welt täglich Verfügungen, Abmahnungen, Rechnungen, Deal-Ideen auf den Tisch, dass unser Kreislauf rauf- und runterrauscht. Am Wochenende hat der Präsident für solche Banalitäten keine Zeit, da steht er auf dem Platz. Trump ist "der beste Golfer aller bisherigen Präsidenten", sagt er selbst. Über sein Handicap gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Das Fachmagazin GolfPunk taxiert es auf 3,7. Er selbst sagt, er habe 2,8. Der amerikanische Sportjournalist Rick Reilley spottete 2022: "Wenn Trump Handicap 2,8 hat, dann ist Queen Elizabeth Stabhochspringerin." Manche, die mit dem Präsidenten auf dem Platz standen, ordnen sein Handicap "irgendwo zwischen 7 und 10" ein. Je niedriger der Wert, desto höher die Spiel-Qualität. 70 Prozent der Golfer schaffen es nach Einschätzung von Experten nicht auf einen einstelligen Wert. Das heißt: Trump wäre auch mit seiner schlechtesten Handicap-Einstufung ein guter Golfer. Und übrigens: er will immer als Sieger vom Platz gehen.
Es gibt nicht wenige in der CDU, die bejammern, das größte Handicap für seine Partei sei Friedrich Merz selbst. Aber ein besserer ist nicht in Sicht – wem also nützt es, wenn die eigenen Leute ihn in den Schlamm ziehen? Die erste Kanzler-Pflicht ist: Golfschläge üben, bis die Armmuskeln kreischen. Wer mit Trump dealen will, muss sich erstmal an den 18 Löchern in Mar-a-Lago bewähren. Nichtskönner wird der Präsident hinterher mit Verachtung strafen. Wer hingegen mithalten kann, darf auf einträgliche Deals hoffen. Zu gut sollte man freilich auch nicht sein. Wie schrieb der Stern so einfühlsam: "Eine Niederlage gegen den Gastgeber wäre vielleicht in nationalem Interesse." (Rainer M. Gefeller) +++
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