06.08.23 - Am 03. Juli 1971 endete eines der schillerndsten Leben in der Geschichte der Musik – James Douglas "Jim" Morrison wurde tot in seiner Pariser Wohnung aufgefunden. Damit wurde auch er Mitglied des ominösen "Club 27". Zwischen dem 03. Juli 1969 und dem 03. Juli 1971 starben vier seiner berühmtesten Mitglieder: Brian Jones, Jimi Hendrix, Janis Joplin und Jim Morrison.
Der berühmt-berüchtigte „Club 27“. Das Graffito aus Tel Aviv zeigt chronologisch ...© Wikipedia / Psychology Forever CC BY-SA 4.0
Am Anfang stand "The End"
Aus der Büchersammlung der Autorin zu Jim Morrison © Jutta Hamberger
Ziemlich zu Beginn meines Studiums ‚begegnete‘ ich zwei Musikern, die mich bis heute begleiten und deren Werk auf meiner all-time-favourite-Liste steht. Der eine ist Billy Joel, dessen Familiengeschichte samt ihren tragischen Verbindungen nach Nazi-Deutschland ich erst Jahrzehnte später kennenlernte. Und der andere war Mr. Mojo Rising – Jim Morrison.
Am Anfang meiner Doors-Faszination stand allerdings kein Album der Doors, sondern Coppolas "Apocalypse now" (1979). Es gibt darin zwei Sequenzen, die ihre Wucht erst durch die verwendete Musik erhalten. Das eine ist der Hubschrauber-Angriff auf den Vietkong. Wenn ich Wagners Walkürenritt höre, steht mir unweigerlich die Szene mit Colonel Kilgore (Robert Duvall) vor Augen. Und die zweite ist die verstörende Eröffnungssequenz mit Martin Sheen und der hypnotischen Musik der Doors. Danach besorgte ich mir alle Alben und hörte sie rauf und runter. Ich las, hörte und sah alles, was ich von den Doors in die Finger bekam.
Werbeseite für das Buch, sie zeigt, wie aufwendig und liebevoll „The collected ...© Verlag
1980 kam Oliver Stones Film "The Doors" ins Kino, in dem Val Kilmer eine bravouröse Leistung ablieferte. Leider hatte der Film nur wenig mit den Doors zu tun. Morrison als völlig außer Kontrolle geratenen Soziopathen darzustellen, missfiel nicht nur mir – die verbliebenen Doors-Mitglieder Ray Manzarek, Robby Krieger und John Densmore gaben zu Protokoll, das sei zwar ein guter Film über eine amerikanische Rockband, nur leider keiner über die Doors.
Rockstar, Sexsymbol und Dichter
Die Doors – Jim Morrison, Ray Manzarek, Robbie Krieger und John Densmore ...© Wikipedia / Electra Records
Es ist ein wahrer Glücksfall, dass Morrisons Schwester Anne "The Collected Words of Jim Morrison" herausgegeben hat. Als Doors-Fan findet man hier eine schier überwältigende Fülle an bislang unbekanntem Material, das Einblicke gewährt in Morrisons Schaffensprozess. Natürlich sind sämtliche Liedtexte darin, bekannte und viele bislang unbekannte Fotos, auch aus dem Familienalbum der Morrisons. Veröffentlichte und unveröffentlichte Gedichte, Notizen, das Transkript der letzten Aufnahme Morrisons an seinem 27. Geburtstag (08.12.1970), das Pariser Notizbuch – wahrscheinlich sein letztes, Auszüge aus dem Notizbuch, das er während des Prozesses 1970 in Miami führte, und der Epilog "As I look back" – eine ebenso berührende wie erschütternde Autobiographie in Gedichtform. Sie beginnt mit diesen Zeilen:
As I look back
over my life
I am struck by post cards
Ruined snap shots
faded posters
of a time I can’t recall.
Das Whisky a Go-Go, der Rockclub am Sunset Strip, in dem die Karriere der Doors begann ...© Wikipedia / Mike Dillon CC BY-SA 3.0.
Morrison schrieb seit frühester Jugend. Fast alles notierte er zuerst in einem Notizbuch, manchmal aber auch auf einem Papierfetzen, einer Serviette oder einem zerknitterten Briefumschlag. Seine Freundin Pamela Courson brachte nach Morrisons Tod viele dieser Notizbücher zurück nach Los Angeles. Nach ihrem Tod verwahrte ihr Vater sie und engagierte Morrisons Freund Frank Lisciandro, um sie zu editieren und zu transkribieren. So erschienen in den 1980er zwei Bände mit Morrisons Gedichten.
The Doors © Wikipedia / APA Agency
Manuskript “Riders on the storm” © Wikipedia / Sam Howzit CC BY 2.0
Jim Morrison während der Gerichtsverhandlung in Miami 1970 © Wikipedia / Dade County Public Safety Department, Miami
"The collected words of Jim Morrison" erschien erst 2021. Ich glaube, damit erfüllten die Herausgeber einen Wunsch Morrisons, der sich immer viel mehr als Dichter denn als Sänger begriffen hatte. Im Vorwort sagt Tom Robbins: "Die Dichter, die wirklich bedeutend sind, haben selten gezögert, mit dem Feuer zu spielen (…) Die Myriaden oft zersplitterter Textzeilen Morrisons sind (…) ein sprühender geistiger Funkenregen von Ideen." Es ist ein Buch zum Vertiefen, Versinken und Staunen – und es vermittelt ein differenziertes Bild dieses großartigen und unsterblichen Rockpoeten.
Extra: Die Doors Alben
Es gibt nur fünf Studio-Alben, außerdem einige Live-Mitschnitte. An den Studio-Alben kommt man nicht vorbei, auch 50 Jahre nach Entstehen haben sie nichts von ihrer Kraft verloren.
Jim Morrisons Grab auf dem Pariser Pére Lachaise © Wikipedia / Jürgen Schuschke CC BY-SA 3.0
The Doors (1967)
– Das Debütalbum war und ist der Hammer. Jeder Song auf dieser Platte ist großartig, nicht nur die beiden Mega-Hits "Light my fire" und "The End". Das Album elektrisierte die Welt, sicherlich auch, weil die Doors einen Gegenentwurf zu Flower-Power und der Love-me-do-Welt der Swingin‘ Sixties entwarfen. Die Musikzeitschrift Rolling Stones zählt es zu den 500 besten Alben aller Zeiten (Platz 42). Das Cover stammt von dem amerikanischen Fotografien Guy Webster und dürfte eines der ikonischsten Bilder der Doors sein.
Strange Days (1967) – darauf die Hits "Moonlight Drive", "People are strange”, "Love me two times” und "When the music’s over". Alle Titel auf diesem Album hatte die Band bereits in den Jahren 1965/66 geschrieben. Die Musikzeitschrift Rolling Stone zählt das Album zu den 500 besten aller Zeiten (Platz 409).
Der Grabstein auf Morrisons Grab, Pére Lachaise © Wikipedia / Heinrich Stürzl CC BY-SA 4.0
Waiting for the sun (1968)
– ein Album, das deutlich balladiger ist als die beiden Vorgänger. "Hello I love you" wurde zum zweiten Nummer-eins-Hit der Doors in den USA, sehr erfolgreich auch "Love Street", "Spanish Caravan" und "The Unknown Soldier".
The Soft Parade (1969) – für viele ist dies das schwächste Album der Doors. Der Sound ist verändert, Streicher und Bläser gab es bisher auf keinem Doors-Album. Witzigerweise ist ausgerechnet der erfolgreichste Titel des Albums, "Touch me", mit Streichern und Bläsern instrumentiert. Auf diesem Album rückt Gitarrist Robby Krieger stärker in den Fokus, denn wegen der zunehmenden Alkoholprobleme Morrisons gestalteten sich die Aufnahme-Sessions schwierig.
Das berühmte Cover des Albums “Morrison Hotel” ” © Wikipedia / Henry Diltz
Morrison Hotel (1970)
– mit diesem Album kehren die Doors zu ihren Wurzeln zurück. Die Musik ist rockig und bluesig, bekannte Titel darauf sind "Roadhouse Blues”, "Waiting for the Sun” und "Ship of Fools”. Das Cover zeigt das real existierende Morrison Hotel in der South Hope Street in Los Angeles. Eigentlich hatte der Hotel-Manager Aufnahmen des Hotels verboten, die Band machte die Aufnahmen dennoch, als gerade keiner hinschaute. Fotograf Henry Diltz fotografierte in den 1960ern und 1970ern mehr als 250 Album-Cover – für Künstler wie Neil Young, Crosby, Stills & Nash, Steppenwolf, Jim Hendrix und eben die Doors. Diltz war auch der offizielle Fotograf des Woodstock Festivals (1969).
Morrisons Grab ist nicht nur an seinem Todestag ein Treffpunkt der Fans ...© Wikipedia / Fab1 CC BY-SA 3.0
L.A. Woman (1971)
– die letzte Platte der Doors und Blues-Musik, wie sie schöner kaum geht. Die bekanntesten Songs sind "Love her madly" (wahrscheinlich eine Liebeserklärung an Pamela Courson) und "Riders on the storm". Auch dieses Album sieht das Musikmagazin Rolling Stone unter den 500 besten aller Zeiten (Platz 362). Im titelgebenden Song "L.A. Woman" singt Morrison erstmals von Mr. Mojo Risin‘ – ein Anagramm seines Namens.
Foto: Nicole Dietzel, Dinias
(Jutta Hamberger)+++
Was wir lesen, was wir schaun - weitere Artikel
FULDA - 06.10.2024
Was wir lesen, was wir schauen (103)
Nina Burleigh, Donald Trump und seine Frauen - Ehefrauen als Accessoires
FULDA - 22.09.2024
Was wir lesen, was wir schauen (102)
Marion Zimmer-Bradley, Die Nebel von Avalon - Eine Welt voll Zauber und Magie
FULDA - 08.09.2024
Was wir lesen, was wir schauen (101)
Edna O’Brien, Country Girls - Die furchtlose Erzählerin der Wahrheit
FULDA - 25.08.2024
Was wir lesen, was wir schauen (100)
Ephraim Kishon, Drehen Sie sich um, Frau Lot - Der Mann mit den drei Karrieren
FULDA - 11.08.2024
Was wir lesen, was wir schauen (99)
Betty Smith, Ein Baum wächst in Brooklyn - Ein Mutmacherbuch
FULDA - 28.07.2024
Was wir lesen, was wir schauen (98)
"Make Hummus, not War!" - Ben David Oz & Jalil Dabit, Kanaan – das Kochbuch
FULDA - 14.07.2024
Was wir lesen, was wir schauen (97)
Ross Macdonald, Schwarzgeld - Vom richtigen und falschen Handeln
FULDA - 30.06.2024
Was wir lesen, was wir schauen (96)
Ronald Reng, 1974 - Deutschland spielt gegen Deutschland
FULDA - 16.06.2024
Was wir lesen, was wir schauen (95)
M. Atwood, Report der Magd -"Ich schreibe Bücher, damit sie nicht wahr werden"
FULDA - 02.06.2024
Was wir lesen, was wir schauen (94)
Zuhause zwischen Berlin und Tel Aviv - Mirna Funk, Von Juden lernen
FULDA - 19.05.2024
Was wir lesen, was wir schauen (93)
Thomas Mann, Die Buddenbrooks - Lebet wohl im prächt’gen Hause
FULDA - 05.05.2024
Was wir lesen, was wir schauen (92)
Marianne Brentzel, Mir kann doch nichts geschehen - Nesthäkchen im KZ
FULDA - 21.04.2024
Was wir lesen, was wir schauen (91)
Cord Jefferson, American Fiction - Heucheln Sie ruhig weiter
FULDA - 07.04.2024
Was wir lesen, was wir schauen (90)
Kristine von Soden, Ob die Möwen manchmal an mich denken?
FULDA - 24.03.2024
Was wir lesen, was wir schauen (89)
Johannes Mario Simmel, Und Jimmy ging zum Regenbogen - zerstörte Träume
FULDA - 10.03.2024
Was wir lesen, was wir schauen (88)
Kerstin Wolff: Tomate, Fahrrad, Guillotine - kurze Frauengeschichte in 30 Bildern
FULDA - 03.03.2024
Was wir lesen, was wir schauen (87)
Erich Kästner, Emil und die Detektive - Zeit für kluge Kinder
FULDA - 11.02.2024
Was wir lesen, was wir schauen (86)
Volker Kutscher, Olympia - Deutschland auf dem Weg in die Finsternis
FULDA - 28.01.2024
Was wir lesen, was wir schauen (85)
Wieslaw Kielar, Anus Mundi - Fünf Jahre in Auschwitz - "Ich will leben"
FULDA - 14.01.2024
Was wir lesen, was wir schauen (84)
Dorothy L. Sayers, Starkes Gift - Alles hieb- und stichfest?
FULDA - 31.12.2023
Was wir lesen, was wir schauen (83)
Auf ein gutes neues Jahr mit horizonterweiternder Lektüre
FULDA - 19.12.2023
Was wir lesen, was wir schauen (82)
Ein Gabentisch für Sie mit lohnenden Büchern, CDs und Filmen
FULDA - 03.12.2023
Was wir lesen, was wir schauen (81)
Nicholas Blake, Das Geheimnis von Dower House - rätselhaft und very british
FULDA - 19.11.2023
Was wir lesen, was wir schauen (80)
"Make Hummus, not War!" Ben David Oz & Jalil Dabit, Kanaan – das Kochbuch
FULDA - 05.11.2023
Was wir lesen, was wir schauen (79)
Martin Doerry, Lillis Tochter - Mein beschädigtes Leben
REGION - 17.09.2023
Was wir lesen, was wir schauen (76)
Lionel Feuchtwanger, Erfolg - Große Reiche vergehen, ein gutes Buch bleibt
REGION - 03.09.2023
Was wir lesen, was wir schauen (75)
Virginia Woolf, Ein Zimmer für sich allein - Haltet fest an euch und euren Zielen
REGION - 20.08.2023
Was wir lesen, was wir schauen (74)
Loren D. Estleman, Kill Zone - "Mein Beruf ist das Töten"
REGION - 23.07.2023
Was wir lesen, was wir schauen (72)
Elizabeth George, Auf Ehre und Gewissen - Nicht Gold, sondern Grauen
REGION - 09.07.2023
Was wir lesen, was wir schauen (71)
Stefan Kruecken, Das muss das Boot abkönnen - Das Meer, der große Sortierer
REGION - 25.06.2023
Was wir lesen, was wir schauen (70)
Selma Lagerlöf, Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen
REGION - 11.06.2023
Was wir lesen, was wir schauen (69)
Gwen Bristow, Kalifornische Sinfonie: Go West - der Liebe wegen
REGION - 14.05.2023
Was wir lesen, was wir schauen (68)
Jessamine Chan, Institut für gute Mütter - "Ihre Tochter ist jetzt bei uns"
REGION - 16.04.2023
Was wir lesen, was wir schauen (67)
Dashiell Hammett, Der Malteser Falke - Die Revolution des Kriminalromans
REGION - 02.04.2023
Was wir lesen, was wir schauen (66)
Marie Antoinette – die verkannte Königin
REGION - 19.03.2023
Was wir lesen, was wir schauen (65)
Vicki Baum, Menschen im Hotel - Hier ist immer was los
REGION - 14.03.2023
Sensationell: vier Oscars für deutschen Film
Erich Maria Remarque, Im Westen nichts Neues - Das Grauen der Welt
REGION - 05.03.2023
Was wir lesen, was wir schauen (64)
Lee Child, Die Hyänen (Jack Reacher Bd. 24) - Ein amerikanischer Held
REGION - 24.02.2023
Was wir lesen, was wir schauen (63)
Serhij Zhadan, Himmel über Charkiv - Der Chronist des Krieges
REGION - 05.02.2023
Was wir lesen, was wir schauen (62)
Prince Harry, Spare – Reserve - Der klagende Prinz
REGION - 22.01.2023
Was wir lesen, was wir schauen (61)
Reiner Engelmann, Der Fotograf von Auschwitz - "Uns der Geschichte stellen"
REGION - 08.01.2023
Was wir lesen, was wir schauen (60)
Agatha Christie, Und dann gab’s keines mehr - Der schöne Schein trügt
REGION - 18.12.2022
Was wir lesen, was wir schauen (59)
Bücher und Filme für "zwischen den Jahren" - Weihnachtszeit - Schmökerzeit!
REGION - 04.12.2022
Was wir lesen, was wir schauen (58)
Ach, Sie lieben Kunst? - Hannah Rothschild, Die Launenhaftigkeit der Liebe
REGION - 20.11.2022
Was wir lesen, was wir schauen (57)
Erich Maria Remarque, Im Westen nichts Neues - Das Grauen der Welt
REGION - 06.11.2022
Was wir lesen, was wir schauen (56)
Maggie Haberman, Täuschung - Aufstieg Trumps und Untergang Amerikas
REGION - 23.10.2022
Was wir lesen, was wir schauen (55)
Emelie Schepp, Nebelkind - Manche Wunden heilen nie
REGION - 09.10.2022
Was wir lesen, was wir schauen (54)
John Sweeney, Der Killer im Kreml - Der Zar der Korruption
REGION - 25.09.2022
Was wir lesen, was wir schauen (53)
Alan Bennett, Die souveräne Leserin - Lesen gegen die Leere des Lebens
REGION - 24.07.2022
Was wir lesen, was wir schauen (52)
Anja Mazuhn, Meine wilden Inseln - Die Weite des Himmels und der See
REGION - 10.07.2022
Was wir lesen, was wir schauen (51)
Aiga Rasch, Im Schatten des Ruhms - Die Mutter der drei Fragezeichen
REGION - 26.06.2022
Was wir lesen, was wir schauen (50)
Theodor Fontane, Der Stechlin - Ein neues Zeitalter bricht an
REGION - 12.06.2022
Was wir lesen, was wir schauen (49)
Lupita Nyong‘o: Sulwe - Feiere das Leuchten in Dir
REGION - 29.05.2022
Was wir lesen, was wir schauen (48)
Emily Ratajkowski, My Body - Schön und feministisch
↓↓ alle 54 Artikel anzeigen ↓↓