Duell-Kaffeesatz: Kühler Hanseat gegen aufbrausenden Sauerländer - Grafik: Medienkontor Fulda

BERLIN "Hochrisiko-Fernsehen"

Duell-Kaffeesatz: Kühler Hanseat gegen aufbrausenden Sauerländer?

09.02.25 - Aus Wirtschaft und Migration werden CDU und SPD, aus denen wiederum Merz und Scholz: TV-Duelle sollen als Kompaktversion des Wahlkampfs Fernsehzuschauern erleichtern, sich eine Meinung zu bilden, verkommen aber leicht zum Schaulaufen der Kandidaten. Das erste von insgesamt sechs TV-Duellen am Sonntagabend war da keine Ausnahme.

Wenn Journalisten etwas über neueste Entwicklungen in der Automobilindustrie wissen wollen, fragen sie gerne Ferdinand Dudenhöffer: Der "Auto-Papst" hatte nicht nur Führungspositionen in der Industrie inne, sondern auch einen Lehrstuhl für Automobilindustrie an der Universität Duisburg-Essen. Dudenhöffer fordert Atomstrom für E-Autos, prophezeit die Wiedergeburt des Verbrenners und hat grundsätzlich das Ohr an der Schiene beziehungsweise der Autobahn.

Watch-Party mit Scholz und Merz

Im Fernsehstudio Screenshots: ARD

Aber selbst fürs vermeintlich triviale TV-Duell-Format gibt es Experten - einer davon ist Prof. Dr. Jürgen Maier, der seit mehr als 20 Jahren zum Thema forscht und am Sonntagabend Studenten der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau ihre ganz eigene "Watch-Party" veranstalten lässt: Mit Fragebogen ausgestattet sollen die Nachwuchsakademiker Kanzler und Herausforderer live während des Duells bewerten. Für den Fernsehduell-Experten sind die übertragenen Schlagabtausche, von denen es im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 insgesamt sechs in unterschiedlichen Zusammensetzungen geben soll, die wichtigsten Einzelereignisse in einem Wahlkampf. Obwohl der Einfluss auf das Wahlergebnis nicht konkret messbar ist, schätzt Maier im Gespräch mit dem SWR die Chance, dass der Gewinner des Duells auch der Gewinner der Wahl sein wird, auf rund 80 Prozent.

Die Latte hängt also hoch fürs TV-Duell zwischen Kanzler Olaf Scholz und seinem Herausforderer Friedrich Merz am Sonntagabend, zur besten Sendezeit auf ARD und ZDF. Die aktuelle Sonntagsfrage sieht die CDU bei 29 Prozent, die SPD bei 16 Prozent. Bereits im Vorfeld wurde deshalb erwartet, dass Scholz angriffslustig ins Duell gehen wird: in nur 14 Tagen einen Rückstand von 15 Prozent aufholen - dafür braucht es mehr als Floskeln. Spätestens nach dem Eklat im Bundestag um die Migrationsbegrenzung war auch dieses Thema fürs Duell gesetzt, genau wie die Wirtschaftskompetenz der beiden Kandidaten.

Hochrisiko-Fernsehen

"Zwei Wochen vor der Wahl wird genau hingeschaut, wie die beiden sich präsentieren", schmunzelt Jens Riewa in der "Tagesschau" direkt vorm TV-Duell. Genau das war in Deutschland befürchtet worden, als das US-Format die traditionellen Elefantenrunden ablöste und 2002 zum ersten Mal SPD und CDU in Form von Gerhard Schröder und Edmund Stoiber aufeinandertrafen: die Personalisierung der Politik, statt Fachkompetenz der perfekte Medienauftritt und die Zuspitzung auf womöglich wahlentscheidende Ausrutscher und Sympathie-Statements. "Meine Frau lebt das, was sie sagt, und ich füge hinzu: Das ist nicht zuletzt der Grund, weshalb ich sie liebe", charmierte Gerhard Schröder 2005. Anerkennung dafür kommt von Angela Merkel, wenn auch erst in ihrer Biografie: "Ich dachte nur: Bingo für die andere Seite, damit erreicht er die Herzen aller Ehefrauen und Ehemänner und vieler mehr" - Umfragen direkt nach dem TV-Duell offenbarten damals, dass der Satz wahlentscheidend gewesen sein könnte. Vom "Hochrisiko-Fernsehen" spricht der Experte deswegen in der "Tagesschau": Was in den 90 Minuten, die von Sandra Maischberger und Maybrit Illner moderiert werden, gesagt wird, kann die Bundestagswahl entscheiden, so seltsam das auch klingt. Let's get ready to rumble.

Sie leben nicht in dieser Welt!

Dementsprechend angespannt wirken beide Kandidaten im Holz-Halbrund des Fernsehstudios in Berlin-Adlershof, Maischberger und Illner sitzen ihnen wie in der mündlichen Prüfung gegenüber. Gleich die erste ist eine Gretchenfrage: Wie ist das nun mit der AfD, Herr Merz? Es wird keine Zusammenarbeit geben. In Geschäftsstellen der Grünen wird die Bezahlkarte zu Bargeld. "Warum soll man so doof sein, in dem Augenblick, wo Deutschland unter meiner Führung es hinbekommen hat, sich nicht an geltendes Recht halten?", fragt Scholz, in Bezug auf die Abweisung von Asylanträgen an den Außengrenzen.

Ist die Abschiebung von 4.000 unerlaubt Einreisenden von Spätsommer bis Jahreswechsel eine Entlastung für die Kommunen? "Ich habe dafür gesorgt, dass mehr Leute in Abschiebehaft landen - wir müssen viel tun, damit die Zahlen nach oben gehen", verteidigt sich Scholz. Merz sieht seine Chance: "Wer im Abschiebegewahrsam sitzt, bekommt inzwischen einen Pflichtverteidiger, das haben die Grünen durchgesetzt - auf Steuerzahlerkosten. Herr Scholz, bitte, Sie leben nicht in dieser Welt!"

Beim Thema Wirtschaft sind die Fronten ähnlich verhärtet. Scholz gibt zu, dass die Stimmung schlecht ist, aber Deindustrialisierung, das dann doch nicht: zweithöchstes Bruttoinlandsprodukt, Bändigung der Inflation - drei Millionen Arbeitslose, steigende Tendenz und Insolvenzwelle, hält Merz dagegen. "Ich bin erschüttert, wie Sie den Zustand unserer Wirtschaft beschreiben!", gibt Merz an - "ich habe die Ukraine nicht überfallen", nimmt Scholz an. Beim Prügelknaben FDP seltene Einheit: "Ein Bundestag ohne FDP wäre ärmer, aber lebensfähig."

Am Schluss noch ein Schmankerl für Duell-Kenner: Illner fragt, mit welchem Satz sich die Kandidaten gerne aus der Sendung verabschieden wollen, "Ich liebe meine Frau!" (Schröder) oder "Sie kennen mich …" (Merkel), so viel Selbstironie muss sein. "Wir haben einen Plan für dieses Land, wir trauen diesem Land viel zu. Ich traue mir zu, eine gute neue erfolgreiche Regierung in Deutschland zu führen" von Friedrich Merz klingt leider ebenso sperrig wie "Mit Sicherheit eine Regierung, die dafür sorgt, dass es in Deutschland weitergeht und stabil bleibt. Das gibt es nur mit einer Stimme für die SPD" von Olaf Scholz. (mau) +++

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