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Heiner Distel junior - Fotos: Gudrun Schmidl

BAD HERSFELD Profis bei der Arbeit (59)

Distels gehören zu Lolls wie das Fierche - Familientradition wird fortgeführt

SERIE "PROFIS BEI DER ARBEIT"Die Arbeitswelt bei uns in Osthessen ist bunt und vielfältig. Ob stinknormaler Job oder ein ganz ausgefallener Beruf - die Redaktion von OSTHESSEN|NEWS hat sich in der Region umgeschaut und viele interessante Menschen getroffen, die von ihrem ganz persönlichen Arbeitsplatz erzählt haben. Lassen Sie sich überraschen.

20.10.17 - Das Lullusfest ohne Distels Autoscooter - undenkbar. Seit über 60 Jahren ist die erfolgreiche Münchner Schaustellerfamilie Stammgast in Bad Hersfeld und lädt auch in diesem Jahr zum klassischen Fahrspaß ein. Hinsetzen, Chip reinwerfen, los düsen – und je nach Laune andere rammen. Nach 90 Sekunden bleibt der glitzernde Wagen stehen. Weil es so viel Spaß macht, müssen weitere Chips gekauft werden. Meistens sitzt Heiner Distel junior im Kassenhäuschen, von wo aus er den besten Blick auf die 14 mal 24 Meter große Fahrfläche genießt und seine Kommandos in das Mikrofon spricht: „Bitte Vorsicht, es geht los. Wir starten wieder“.

Heiner Distel (Mitte) packt genau wie seine Mitarbeiter beim Aufbau an ...

Heiner Distel (36) ist der Juniorchef und führt zusammen mit seinem gleichnamigen Vater in der vierten Generation das Unternehmen. Er betont im Gespräch mit Osthessen-News, dass hinter diesem Geschäft mehr steckt, als an der Kasse Chips zu verkaufen und Gäste mit Sprüchen wie „Einsteigen und dabei sein!“ anzulocken. Dass sich der kleine Betrieb mit dem traditionellen Fahrgeschäft seit Jahrzehnten behaupten kann, ist kein Selbstläufer.

Wer wie Heiner Distel in eine Schaustellerfamilie hinein geboren wird, dem ist der Berufsweg zumeist schon vorgegeben. Als Kleinkind war er auf den Jahrmärkten immer dabei und ist so ganz selbstverständlich mit ins Geschäft reingewachsen. Das änderte sich, als er in die Schule gekommen ist. Genau wie seine Schwester ist er auf ein Internat in München gegangen, die Wochenenden und die Ferien hat er, weil es nicht anders ging, auf verschiedenen Jahrmärkten verbracht. „Wir waren im Internat zehn Schaustellerkinder und eine verschworene Gemeinschaft“, erzählt Heiner Distel und ergänzt: „Noch heute sind wir sehr gut befreundet“.

Die Schaustellerfamilie Distel ist stolz, dass der Gottesdienst am Vorabend der Eröffnung ...

Die Entscheidung für ein Internat fiel, weil sein Vater nicht wollte, dass er und seine Schwester alle drei bis vier Wochen die Schule wechseln müssen. Auch wollte er seinen Kindern später die Chancen auf weiterführende Schulen nicht verwehren. Nach seinem Schulabschluss konnte Heiner Distel frei entscheiden, welche Laufbahn er einschlagen möchte. Während sich seine Schwester für ein Jurastudium entschied, hat Heiner Distel sein Interesse an einem Medizinstudium zurückgestellt und sich letztendlich dazu entschlossen, die Familientradition fortzuführen. Er betont: „Bei den Schaustellern funktioniert die Generationenfolge. Die Jüngeren helfen ganz selbstverständlich den Älteren“. So kam es auch, dass er das Kinderkarussell „Jumbo-Flug“ gemeinsam mit seiner Oma führt.

Der Beruf des Schaustellers ist vielfältig. Eine Ausbildung hat Heiner Distel nicht absolviert. Alles was er wissen und können muss, wurde ihm im elterlichen Betrieb durch „Learning on the Job“ vermittelt. Er hätte mehrere Ausbildungen absolvieren müssen, um all diese handwerklichen, technischen und kaufmännischen Fähigkeiten zu erwerben. Längst hat er verinnerlicht, dass das Leben eines Schaustellers ein hartes Geschäft ist, das außerdem Marketingkompetenz, Planung und Steuerung erfordert. Der Familienbetrieb bestreitet im Jahr zwölf Veranstaltungen, davon drei in Hessen: das Lullusfest in Bad Hersfeld, das Schützenfest in Fulda und den Pfingstmarkt in Alsfeld. Die beiden Letztgenannten werden von Familie Distel mit viel Organisationsgeschick ausgerichtet.

Spaß mit Flirtfaktor garantiert

Vom Münchner Oktoberfest kommend rückten Heiner Distel, seine Frau Dunja, sein Sohn Paul und die Saisonarbeiter mit sechs 40-Tonnern bereits eine Woche vor der offiziellen Eröffnung des Lullusfestes an. „Die Aufbauzeit ist für uns Erholung vom Oktoberfest, es ist nicht so laut und nicht zu viel Trubel“, freut sich Heiner Distel, der genau so anpackt wie seine mitgereisten Saisonarbeiter und natürlich mit Argusaugen bei der Sache ist, wenn die Fläche „mit Werkzeug wie für den Straßenbau“ ausgemessen und die Bodenbeschaffenheit geprüft wird. Von zwei Tiefladern muss das Gerät auf den Zentimeter genau abgestellt werden. Um konkurrenzfähig zu bleiben, hat Familie Distel vor elf Jahren in einen ganz neuen Autoscooter mit moderner Steuerungstechnik investiert. Kostenpunkt: 1,2 Millionen Euro. „Zwei Monate haben wir beim Bau des Gerätes in Italien geholfen und uns mit der kniffligen Technik vertraut gemacht“, erklärt Heiner Distel den reibungslosen Aufbauprozess.

„Wir müssen uns für jedes Volksfest neu bewerben und wir bieten genügend gute Argumente, uns zu berücksichtigen“, berichtet Heiner Distel von dem harten Wettbewerb im Schaustellergewerbe. Seine Begeisterung für seinen Beruf ist dennoch ungebrochen. „Ich komme viel rum, lerne immer wieder neue Leute kennen. Ich könnte mir nicht vorstellen, jeden Tag in ein Büro zu gehen“. Der Schausteller liebt die Abwechslung und Vielfältigkeit und freut sich, wenn der Lollstrubel wieder so richtig in Fahrt kommt. Es klingt etwas klischeehaft und abgedroschen, betont Heiner Distel, aber er spricht es trotzdem aus: „Wenn die Leute über die Fahrfläche düsen, lachen und sich freuen, dann ist das ein gutes Gefühl“. Mitreißende Musik, manchmal nach seinem Geschmack ausgewählt, aber meistens auf den Geschmack der sehr gemischten Klientel abgestimmt, unterstützt nicht nur den Fahrspaß, sondern macht den Autoscooter auch zu einem beliebten Treffpunkt rund um die Fahrfläche.

Um die Zukunft der Schausteller macht sich Heiner Distel keine allzu großen Sorgen. „Schausteller haben schon immer schlechte Zeiten überstanden. Das kleine Vergnügen vor der Haustüre für jeden Geldbeutel wird es immer geben“ ist er sich sicher. Ob sein zweijähriger Sohn Paul in seine Fußstapfen tritt und die Unternehmensnachfolge sichert, ist jetzt noch kein Thema. Er weiß aber, dass er die Entscheidung darüber seinem Sohn überlassen wird. (Gudrun Schmidl) +++

 

 

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